OGH-Entscheidung vom 13.11.2023, 3 Ob 179/23d

 

Sachverhalt:

Die adipöse Klägerin unterzog sich einer laparoskopischen Magenbypass-Operation. Aufgrund der vorherigen monatelangen umfangreichen Abklärung zwischen Chirurgie, Psychosomatik und Stoffwechselambulanz wusste sie, dass sich die Verdauung durch den Eingriff grundsätzlich ändern würde und sie war auch grundsätzlich dazu bereit, damit verbundene Nachteile wie Blähungen, Durchfall, Verstopfung und Erbrechen hinzunehmen.

Die umfassende gehörige Aufklärung erhielt sie aber erst am späten Nachmittag des Vortages der Operation, als eine Ärztin mit ihr den Aufklärungsbogen, der alle wesentlichen Informationen über mögliche Komplikationen und Folgebeschwerden beinhaltete, Schritt für Schritt durchging.

 

Entscheidung:

Erst- und Berufungsgericht vertraten die Rechtsauffassung, dass der Klägerin zu diesem Zeitpunkt das Verschieben oder gar Absagen der Operation nicht mehr zumutbar gewesen und die Aufklärung daher nicht rechtzeitig erfolgt sei. Der OGH schloss sich dieser Rechtsansicht an und wies die außerordentliche Revision der beklagten Krankenanstaltenträgerin zurück.

Der OGH hielt fest, dass die ärztliche Aufklärung so rechtzeitig zu erfolgen hat, dass dem Patienten eine angemessene Überlegungsfrist bleibt; deren Dauer hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

Frühere Judikatur des OGH, in der eine Aufklärung am Vortag für rechtszeitig befunden wurde, war hier nicht übertragbar. Denn dort war dem Patienten im Zuge der Aufklärung bereits ein Ersatztermin rund einen Monat später angeboten worden, falls er sich gegen den Eingriff entscheiden sollte. In jenem Fall war dem Patienten die Absage des für den nächsten Tag vorgesehenen Operationstermins zumutbar.

Bei einer „herkömmlichen“ Hüftgelenksoperation könne eine ärztliche Aufklärung erst am Vortag reichen. Auch bei einer dringlichen operativen Sanierung eines unfallbedingten Bänderrisses könne eine zehnstündige Überlegungsfrist ausreichen. Ebenso wenn nach mehrtägiger erfolgloser Antibiotikabehandlung kurzfristig eine Operation notwendig ist.

Im vorliegenden Fall war die Magenbypass-Operation der Klägerin aber nicht dringend. Daher erfolgte die Aufklärung der Patientin am späten Nachmittag des Vortages nicht rechtzeitig.

 

 

Link zur Entscheidung

 

Weitere Blog-Beiträge zum Thema Arzthaftung:

Arzthaftung: Bei deutlichen Anhaltspunkten für Behandlungsfehler trifft Patienten eine Erkundigungspflicht. Ab diesem Zeitpunkt beginnt Verjährungsfrist.

Arzthaftung? Keine Aufklärungspflicht über „mangelnde Erfahrung“ wenn Arzt die Operationsmethode ordnungsgemäß erlernt hat.

„Beobachten Sie das“: Arzthaftung infolge unterlassener Aufklärung über weitere notwendige Untersuchung eines Tumors

Ästhetische Operation ohne Einhaltung der Überlegungsfrist. Haftet der Arzt?

Patient meldet sich nicht bei Arzt zurück. Kann eine Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht vorliegen?