OGH-Entscheidung vom 6.4.2022, 6 Ob 155/21v

 

Sachverhalt:

Die Klägerin beauftragte einen Architekten mit der Einreichplanung für den Umbau eines Einfamilienhauses. Die Baubehörde teilte dem Architekten nach Vorprüfung seiner Einreichpläne mit, dass Ergänzungen und Korrekturen erforderlich seien. Manche Einwände der Behörde konnten ausgeräumt werden, jedoch waren andere Mängel am eingereichten Plan so gravierend, dass sie ohne eine Abänderung des geplanten Gebäudes nicht behoben werden könnten. Die Klägerin war sehr enttäuscht und beendete nach einer Bedenkzeit die Zusammenarbeit.

Die Klägerin hatte dem Architekten bereits 23.600 EUR an Werklohn bezahlt. Vor Gericht begehrte sie die Rückzahlung von 13.600 EUR. Die Einreichplanung sei nicht genehmigungsfähig und daher unbrauchbar gewesen. Für die mangelhafte Leistung des Beklagten seien nur 10.000 EUR angemessen.

 

Entscheidung:

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Die Klägerin habe das Werk abbestellt, ohne dem Beklagten Gelegenheit zur Verbesserung zu geben. Die geleisteten Zahlungen überstiegen nicht den angemessenen Werklohn. Der OGH befand die Revision der Klägerin für unzulässig.

Der OGH führte in seiner Begründung aus, dass das Abbestellungsrecht der Klägerin keine taugliche Rechtsgrundlage für eine Rückforderung des Werklohns darstellt, weil der Werkunternehmer gemäß § 1168 Abs 1 ABGB den Anspruch auf das vereinbarte Entgelt behält, wenn die Ausführung des Werks durch Umstände auf Seiten des Bestellers unterbleibt. Dazu gehört grundsätzlich auch die Abbestellung des Werks, sofern diese nicht auf ein schuldhaftes Verhalten des Unternehmers zurückzuführen ist.

Wenn ein entgeltlicher Vertrag von einem Teil entweder nicht zur gehörigen Zeit, am gehörigen Ort oder auf die bedungene Weise erfüllt wird, kann der andere gemäß § 918 Abs 1 ABGB unter Festsetzung einer angemessenen Frist zur Nachholung den Rücktritt vom Vertrag erklären. Das Rücktrittsrecht unter Nachfristsetzung steht also nicht nur bei Leistungsverzug zu, sondern auch bei einem in der Verweigerung der Zuhaltung von vereinbarten wesentlichen Vertragsbedingungen gelegenen Vertragsbruch, wenn er mit einer schweren Erschütterung des Vertrauens in die Person des Vertragspartners einhergeht.

Der Rücktritt wird erst nach einer angemessenen Nachfrist wirksam. Rücktrittserklärung und Nachfristsetzung bilden eine Einheit, die dem Schuldner eine letzte Chance zur Vertragserfüllung geben soll. Von der Nachfristsetzung kann nur in Ausnahmefällen abgesehen werden (zB Weigerung des Schuldners). Beim Architektenvertrag berechtigt die Erstellung eines mangelhaften Einreichplans nicht zur Vertragsauflösung, wenn die Mängel verbesserungsfähig sind.

Im Zivilprozess trifft die Beweislast für einen Rücktrittsgrund denjenigen, der sich auf diesen beruft. Daher trifft nach der Rechtsprechung den Werkbesteller, der ohne Setzung einer Nachfrist zurücktritt, die Beweislast für die Entbehrlichkeit derselben. Der Einreichplan war zwar nicht genehmigungsfähig; daraus konnte aber nicht zwingend auf eine Unfähigkeit des Beklagten geschlossen werden, dass die Planung endgültig gescheitert war.

 

 

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