OGH-Entscheidung vom 23.11.2021, 4 Ob 119/21k

 

Sachverhalt:

Ein Bauunternehmen wurde von einer Hausverwaltung mit der Neuherstellung einer Dachkonstruktion samt Isolierung beauftragt. Wenige Tage danach entschied sich die Eigentümergemeinschaft gegen die Durchführung der Bauarbeiten. Das Bauunternehmen (Klägerin) war vertragsgemäß leistungsbereit und begehrte gemäß § 1168 Abs 1 ABGB die Zahlung von 215.066,99 EUR, sohin 36,04 % der Gesamtauftragssumme. Die beklagte Eigentümergemeinschaft wendete dagegen ein, die Klägerin habe einen allfälligen Umsatzentgang durch andere Aufträge ausgleichen können. Sie sei gemäß § 27a KSchG zur Mitteilung über ihre Ersparnis und über einen Erwerb durch anderweitige Verwendung verpflichtet.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht gab der Klage statt.  Das Berufungsgericht hob das Urteil jedoch auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Der OGH befand den dagegen erhobenen Rekurs der Klägerin zur Klärung der Rechtslage zwar für zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Ist die Ausführung eines Werkes unterblieben und verlangt der Unternehmer trotzdem das vereinbarte Entgelt, so hat er gem § 27a KSchG dem Verbraucher die Gründe dafür mitzuteilen, dass er infolge Unterbleibens der Arbeit weder etwas erspart noch durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat. Im vorliegenden Fall geht es um die Anwendbarkeit des § 27a KSchG in Fällen, in denen der Werkunternehmer nicht das gesamte Entgelt, sondern nur einen um bestimmte Ersparnisse und Einkünfte aus anderweitigem Erwerb verminderten Teil davon geltend macht.

Wenn die Werkausführung aus Gründen unterbleibt, die in der Sphäre des Bestellers liegen, ist es grundsätzlich nicht Sache des leistungsbereiten Werkunternehmers, zu behaupten, dass er sich durch das Unterbleiben der Arbeit nichts erspart habe und auch nichts durch anderweitige Verwendung erworben habe. Die diesbezügliche Behauptungs- und Beweislast trifft dann den Besteller.

Zweck des § 27a KSchG ist der Ausgleich eines Informationsdefizits des Verbrauchers. Dieses Informationsdefizit besteht aber auch dann fort, wenn der Unternehmer zwar freiwillig eine Anrechnung in gewisser Höhe vorgenommen, jedoch nicht die Gründe dafür mitgeteilt hat. Denn für den Verbraucher ist dann nicht überprüfbar, ob diese freiwillige Anrechnung auf einigermaßen realistischen Grundlagen fußt.

In einer früheren Entscheidung zu § 27a KSchG entschied der OGH, dass diese Bestimmung auch anwendbar sein müsse, wenn nur ein Teil des „vereinbarten“ Entgelts begehrt wird. Nach dem Gesetzeswortlaut hat der Unternehmer die Gründe dafür mitzuteilen, dass „er infolge Unterbleibens der Arbeit weder etwas erspart noch durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat“. Der Unternehmer hat daher über alle drei Varianten des § 1168 Abs 1 ABGB Aufklärung zu geben.

§ 27a KSchG bezieht sich unstrittig auf das „gesamte“ vereinbarte Entgelt. Daraus ist aber nicht der Schluss zu ziehen, dass § 27a KSchG nur anwendbar wäre, wenn der Unternehmer das gesamte vereinbarte Entgelt „verlangt“. Vielmehr schuldet der Unternehmer die Aufklärung eben hinsichtlich des gesamten Entgelts, auch wenn er nur einen Teil davon begehrt.

 

 

Link zum Entscheidungstext

 

 

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