OGH-Entscheidung vom 22.12.2021, 6 Ob 110/21a

 

Sachverhalt:

In einem Lokal kam es zu einer Schlägerei, an der die Streitteile und zwei weitere Männer beteiligt waren. Dabei kamen die Beteiligten zu Sturz. Der Beklagte sagte sowohl bei seiner polizeilichen Einvernahme als auch im gegen den Kläger geführten Strafverfahren als Zeuge falsch aus um den Kläger zu belasten.

Der Kläger wurde im Zuge des Strafverfahrens jedoch vom Vorwurf der Körperverletzung freigesprochen. Der Beklagte wiederum wurde wegen falscher Beweisaussage schuldig gesprochen, weil er den Kläger wahrheitswidrig falsch beschuldigt hatte.

Der Kläger begehrte folglich vor Gericht den Ersatz seiner Verteidigungskosten im Strafverfahren als Schadenersatz und brachte vor, diese seien ihm aufgrund der wissentlich falschen Anschuldigung des Beklagten entstanden.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht gab der Klage fast vollumfänglich statt. Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung. Der OGH befand die Revision des Beklagten für teilweise berechtigt.

Die Strafbestimmung des § 297 StGB (Verleumdung) dient auch dem Schutz des Vermögens des Verleumdeten. Der Täter hat diesem daher die Kosten der Verteidigung im Strafverfahren zu ersetzen. Auch die schadenersatzrechtlichen Bestimmungen des ABGB stützen eine Verpflichtung zum Ersatz von Verfahrenskosten, wenn der Täter rechtswidrig wider besseres Wissen falsche Angaben gegenüber der Behörde gemacht hat, die dafür kausal waren, dass diese ein Verfahren veranlasste, wodurch dem Geschädigten die als Schaden geltend gemachten Vertretungskosten entstanden.

Die Vorinstanzen hatten die Haftung des Beklagten für dem Kläger entstandene Kosten der Verteidigung daher zutreffend bejaht. Es ist jedoch nur der zweckmäßige und angemessene „Rettungsaufwand“ zu ersetzen: Aufwendungen, die gemacht werden, um eine Gefahr abzuwehren, sind ersatzfähig, wenn sie erforderlich waren, um den drohenden Schaden abzuwehren, und zweckmäßig insoweit waren, als ein maßgerechter „vernünftiger“ Durchschnittsmensch in der konkreten Lage die getroffenen Maßnahmen ebenfalls gesetzt hätte. Nach ständiger Rechtsprechung sind auch Rechtsanwaltskosten als „Rettungsaufwand“ nur zu ersetzen, wenn sie zweckmäßig und angemessen waren, wobei im Ersatzprozess die einzelnen anwaltlichen Maßnahmen auf ihre Zweckmäßigkeit hin zu prüfen sind. Die Prüfung des OGH ergab, dass vereinzelte Leistungen nicht zweckmäßig waren. Die Revision des Beklagten hatte daher teilweise Erfolg.

Der Grundsatz der „Schadensminderungspflicht“ erfordere jedoch nicht, dass der Kläger sich einen besonders günstigen Rechtsanwalt hätte suchen müssen. Ein Honorar, das den Honorarkriterien des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags (AHK) entspricht, ist in der Regel als angemessen anzusehen. Es bestand daher im vorliegenden Fall keine Obliegenheit des Klägers, sich einen Verteidiger zu suchen, der weniger als das angemessene Honorar verlangt.

 

 

Link zum Entscheidungstext

 

 

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