OGH-Entscheidung vom 5.7.2021, 4 Ob 220/20m
Sachverhalt:
Die Inhaberin eines 2015 angemeldeten Patents stellte die zugrundeliegende Erfindung bereits im Jahr 2009 in der Produktionshalle eines Unternehmens aus. Das Bewusstsein für die Existenz von Geschäftsgeheimnissen war dort gegeben. Dennoch wurden auch Führungen für Schulklassen und dergleichen gemacht. Besucher der Geschäftsleitung, Werkzeugtechniker und Monteure hatten direkten Einblick in die Maschine.
Die Antragstellerin beantragte die gänzliche Nichtigerklärung des Streitpatents und stützte sich im Wesentlichen auf das Fehlen dessen Neuheit.
Entscheidung:
Das Patentamt gab dem Antrag teilweise statt. Das Berufungsgericht erklärte das gesamte Streitpatent für nichtig. Offenkundigkeit sei dadurch hergestellt worden, dass Geschäftspartner des Unternehmens oder Monteure und potenzielle Kunden das zum Einsatz kommende Verfahren erkennen und verstehen hätten können, denn diese hätten direkten Einblick in die Maschine gehabt.
Nach § 3 Abs 1 PatG gilt eine Erfindung als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Den Stand der Technik bildet alles, was der Öffentlichkeit vor dem Prioritätstag der Anmeldung durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benützung oder in sonstiger Weise zugänglich gemacht worden ist.
Der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird eine (technische) Information, wenn ein beliebiger Fachmann ihren Inhalt erkennen, verstehen und an andere Fachleute weitergeben kann. Öffentlichkeit ist eine unbestimmte Mehrheit von Personen. Aber auch die Unterrichtung einzelner Personen oder eines begrenzten Personenkreises kann eine Zugänglichkeit für die Öffentlichkeit begründen, vor allem wenn sie dem Erfinder oder Inhaber der Erfindung gegenüber nicht zur Geheimhaltung verpflichtet sind.
Nach der Rechtsprechung des Obersten Patent- und Markensenats ist die Zugriffsmöglichkeit einer fachkundigen Allgemeinheit entscheidend. Ein Zugänglichmachen an die Öffentlichkeit ist dann gegeben, wenn für einen nicht beschränkten Personenkreis eine nicht entfernt liegende, daher nicht bloß theoretische Möglichkeit der Kenntnisnahme besteht.
Der OGH schloss sich daher der Rechtsansicht des Berufungsgerichts an, wonach die Maschine bereits vor dem Anmeldetag des Streitpatents der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist und daher von einer neuheitsschädlichen Offenbarung der Erfindung auszugehen war.
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