EuGH-Urteil vom 3.6.2021, Rechtssache C‑762/19

 

Sachverhalt:

Die Klägerin (ein lettisches Unternehmen) betreibt eine Datenbank und eine Website mit Stellenanzeigen für den Arbeitsmarkt. Die Website ist mit Meta-Tags ausgestattet, die es Internet-Suchmaschinen ermöglichen, den Inhalt einer Seite besser zu erkennen. Im streitgegenständlichen Fall enthalten diese Meta-Tags bestimmte Schlüsselwörter wie „Stellenbezeichnung“, „Firmenname“, „Arbeitsort“ und „Datum der Veröffentlichung der Anzeige“.

Die Beklagte betreibt eine auf Stellenanzeigen spezialisierte Suchmaschine. Mit dieser Suchmaschine lassen sich mehrere Websites mit Stellenanzeigen anhand verschiedener Kriterien durchsuchen. Die Nutzer werden via Links zu den jeweiligen Inseraten weitergeleitet. In der Ergebnisliste werden auch die Informationen angezeigt, die in den erwähnten Meta-Tags enthalten sind.

Die Klägerin hielt dies für einen rechtswidrigen Eingriff in ihr Schutzrecht sui generis für Datenbanken im Sinne des Art. 7 der Richtlinie 96/9/EG. Das Regionalgericht Riga beschloss, das Verfahren auszusetzen und dem EUGH zur Vorabentscheidung vorzulegen.

 

Entscheidung:

Das Schutzrecht sui generis hat zum Ziel, den Schutz einer Investition in die Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung des Inhalts einer Datenbank sicherzustellen, indem dem Hersteller die Möglichkeit gegeben wird, die unerlaubte Entnahme und/oder Weiterverwendung der Inhalte zu unterbinden. Durch diesen Schutz soll es einen Anreiz für die Einrichtung von Datenspeicher- und Datenverarbeitungssystemen geben, um zur Entwicklung des Informationsmarkts beizutragen.

Nach Ansicht des EuGH war im vorliegenden Fall die Frage zu beantworten, ob Art. 7 der Richtlinie 96/9 dahin auszulegen ist, dass eine solche Internet-Suchmaschine, die Inhalte einer im Internet frei zugänglichen Datenbank kopiert und indexiert und es dann ihren eigenen Nutzern ermöglicht, Recherchen in dieser Datenbank durchzuführen, eine „Entnahme“ und eine „Weiterverwendung“ des Inhalts dieser Datenbank vornimmt. Ebenso, ob dem Hersteller einer solchen Datenbank das Recht zukommt, eine solche Entnahme oder eine solche Weiterverwendung dieser Datenbank zu untersagen.

Aus der Rechtsprechung des EuGH geht hervor, dass die Begriffe „Entnahme“ und „Weiterverwendung“ dahin auszulegen sind, dass sie sich auf jede Handlung beziehen, die darin besteht, sich ohne die Zustimmung der Person, die die Datenbank erstellt hat, die Ergebnisse ihrer Investition anzueignen bzw. sie öffentlich verfügbar zu machen und ihr damit die Einkünfte zu entziehen, die es ihr ermöglichen sollen, die Kosten dieser Investition zu amortisieren.

Der Betreiber einer spezialisierten Metasuchmaschine verwendet Inhalte weiter, wenn er einer unbestimmten Zahl von Endnutzern ein Werkzeug an die Hand gibt, das es ihnen ermöglicht, die Daten in einer Datenbank zu durchsuchen, und ihnen somit Zugang zum Inhalt dieser Datenbank über einen anderen Weg als den vom Hersteller dieser Datenbank vorgesehenen gewährt. Eine solche Tätigkeit beeinträchtigt das Schutzrecht sui generis des Herstellers der Datenbank, da sie ihm Einnahmen entzieht, die es ihm hätten ermöglichen sollen, die Kosten seiner Investition zu amortisieren. In einem solchen Fall muss der Nutzer nämlich nicht mehr über die Startseite und das Suchformular der Datenbank des betreffenden Dritten gehen, da er diese Datenbank direkt durchsuchen kann.

Der EuGH kam schließlich zu dem Ergebnis, dass eine auf die Suche von Inhalten von Datenbanken spezialisierte Internet-Suchmaschine, die Inhalte einer im Internet frei zugänglichen Datenbank kopiert und indexiert und dann ihren eigenen Nutzern Suchen ermöglicht, eine „Entnahme“ und eine „Weiterverwendung“ der Inhalte vornimmt. Die Hersteller einer solchen Datenbank können das untersagen, sofern diese Handlungen ihre Investition in die Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung dieser Inhalte beeinträchtigen, insbesondere die Amortisierung beeinträchtigen können.

Es habe jedoch das vorlegende Gericht zu prüfen, ob die Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung des Inhalts der betreffenden Datenbank eine wesentliche Investition darstellt, und zudem, ob die Entnahme oder Weiterverwendung ein Risiko darstellt, diese Investition zu amortisieren.

 

Link zum Entscheidungstext

 

Weitere Entscheidungen zum Schutz von Datenbanken:

EuGH-Urteil zum Herauslösen und Verwerten „unabhängiger Elemente“ einer Datenbank

OGH zum Investitionsschutz für Datenbanken (fussballoesterreich.at)

Neues EuGH-Urteil zum Screen Scraping von Flugdaten (Schutz von Datenbanken)

„Offenlassen“ von geschützten Datenbanken

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