EuGH-Urteil vom 15.1 2015, Rechtssache C‑30/14

Sachverhalt:

Die PR Aviation BV betreibt eine Website, auf der Verbraucher nach Flugdaten von Billigfluggesellschaften suchen, Preise vergleichen und gegen Zahlung einer Provision einen Flug buchen können. Die Daten, die zur Erledigung eines einzelnen Suchauftrags erforderlich sind, entnimmt sie auf automatisiertem Weg ua einer Datensammlung, die mit der auch Verbrauchern zugänglichen Website von Ryanair verbunden ist. Der Zugang zu dieser Website setzt voraus, dass der Besucher die Anwendung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Ryanair durch Aktivierung eines entsprechenden Häkchens anerkennt. Diese Bedingungen enthielten Klauseln, die Raynair als ausschließlichen Vertriebskanal festlegten, die Nutzung der abrufbaren Daten einschränkten und schließlich die Verwendung automatisierter Systeme oder automatischer Software zum Extrahieren von Daten der Website für gewerbliche Zwecke („Screen scraping“) untersagten.

Ryanair klagte in Utrecht und bekam in erster Instanz Recht, soweit die Klage auf das Urheberrechtsgesetz gestützt war. (Die Klage wurde jedoch abgewiesen, soweit diese sich auf einen Verstoß gegen die Richtlinie 96/9 und das Datenbankengesetz gestützt hatte.) PR Aviation wurde dazu verurteilt, jede Verletzung der Urheberrechte von Ryanair an deren Flugdaten zu unterlassen und ihr den entstandenen Schaden zu ersetzen.

Das Berufungsgericht Amsterdam hob das Urteil ua mit der Begründung auf, dass PR Aviation die Rechte von Ryanair nicht verletzt habe, da ihre Handlungsweise als im Sinne von Art. 24a Abs. 1 des Urheberrechtsgesetzes normale und damit rechtmäßige Benutzung der Website von Ryanair anzusehen sei. Ryanair habe außerdem nicht nachgewiesen, dass es sich bei der Herstellung der Datensammlung um eine „wesentliche Investition“ im Sinne der Richtlinie 96/9 und des Datenbankengesetzes gehandelt habe, was aber Voraussetzung für einen Schutz der Datenbank gewesen wäre.

Der Oberste Gerichtshof der Niederlande setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH folgende Frage zur Vorabentscheidung vor:

Erstreckt sich die Wirkung der Richtlinie 96/9 auch auf Online-Datenbanken, die nicht aufgrund von Kapitel II dieser Richtlinie durch das Urheberrecht und auch nicht aufgrund von Kapitel III dieser Richtlinie durch ein Schutzrecht sui generis geschützt werden, und zwar in dem Sinn, dass auch insoweit die Freiheit, solche Datenbanken zu benutzen, in (sinngemäßer oder nicht sinngemäßer) Anwendung von Art. 6 Abs. 1 und Art. 8 in Verbindung mit Art. 15 der Richtlinie 96/9 nicht vertraglich beschränkt werden darf?

Entscheidung:

Der EuGH führte zunächst grundsätzlich aus, dass nach dem Wortlaut von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 96/9 diese den „Rechtsschutz von Datenbanken“ zum Ziel hat. Die Richtlinie führt zwei Formen des rechtlichen Schutzes solcher Datenbanken ein. Die erste Form besteht im Schutz durch das Urheberrecht und erfasst nach dem Wortlaut von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie Datenbanken, die aufgrund der Auswahl oder Anordnung des Stoffes eine eigene geistige Schöpfung ihres Urhebers darstellen. Die zweite Form besteht im Schutz durch das Schutzrecht sui generis und erfasst nach dem Wortlaut von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie Datenbanken, bei denen für die Beschaffung, die Überprüfung oder die Darstellung ihres Inhalts eine in qualitativer oder quantitativer Hinsicht wesentliche Investition erforderlich ist.

Somit folgt, dass die Bestimmungen dieser Richtlinie (96/9/EG über den rechtlichen Schutz von Datenbanken), die zwingende Rechte für die rechtmäßigen Benutzer einer Datenbank begründen, auf eine Datenbank, die weder durch das Urheberrecht noch durch das Schutzrecht sui generis nach dieser Richtlinie geschützt wird, nicht anwendbar sind, so dass die Richtlinie einer Verwendung von Vertragsklauseln, die die Bedingungen der Benutzung einer solchen Datenbank regeln, nicht entgegensteht. Dem Hersteller einer solchen Datenbank kann es daher unbeschadet des anwendbaren nationalen Rechts nicht verwehrt werden, vertragliche Beschränkungen für ihre Benutzung durch Dritte festzulegen.

Zusammengefasst führt diese EuGH-Entscheidung daher zu dem paradoxen Ergebnis, dass zB Ryanair anderen Websites per AGB die Verwendung ihrer Flugdaten verbieten dürfte, sofern es sich nicht um eine Datenbank im Sinne der Richtlinie handelt, weil dann nur vertragliche Regelungen und keine gesetzlichen Ausnahmeregelungen greifen.

Den nationalen Gerichten in der Niederlanden verbleibt nun die Beantwortung der Frage, ob die Flugdaten von Ryanair im konkreten Fall geschützt sind.