OGH-Entscheidung vom 25.3.2020, 6 Ob 176/19d

 

Sachverhalt:

Ein Medium berichtete über eine verstorbene Frau und identifizierte diese (unter anderem durch die Veröffentlichung eines Fotos) als Verbrechensopfer. Im Zuge der Berichterstattung wurde über die erlittenen Verletzungen der Getöteten, ihr Beziehungsleben zu ihrem ehemaligen Lebensgefährten, der sie getötet hat, und die Obsorgestreitigkeiten um ihre gemeinsamen Kinder thematisiert.

Die Eltern der verstorbenen Frau klagten auf Unterlassung.

 

Entscheidung:

Der Klage wurde in erster und zweiter Instanz stattgegeben. Der OGH wies die Revision der Beklagten zurück. Aus der Begründung:

Aus § 16 ABGB und § 78 UrhG ist ein postmortales Persönlichkeitsrecht abzuleiten, dessen Verletzung von den nahen Angehörigen des/der Verstorbenen geltend gemacht werden kann.

Bei der Geltendmachung der Ansprüche durch einen nahen Angehörigen kommt es nach dem Gesetzeswortlaut auf dessen Interessen an, wobei diese Interessen im Regelfall schon dann beeinträchtigt sind, wenn die Interessenabwägung zu Lebzeiten des Betroffenen zu seinen Gunsten ausgegangen wäre. Zweck des Rechts der nahen Angehörigen ist nämlich auch die Wahrung der Interessen des Verstorbenen.

§ 78 UrhG verlangt eine Interessenabwägung zwischen dem Persönlichkeitsschutz des Abgebildeten und dem Veröffentlichungsinteresse des Mediums als Ausfluss der freien Meinungsäußerung. Die Wertungen der §§ 7a ff MedienG sind ebenso zu berücksichtigen.

Der höchstpersönliche Lebensbereich, der den Kernbereich der geschützten Privatsphäre darstellt und der jedenfalls die Gesundheit, das Sexualleben und das Leben in und mit der Familie umfasst, ist einer den Eingriff rechtfertigenden Interessenabwägung zumeist nicht zugänglich. Liegt ein Eingriff in die Privatsphäre vor, führt ein im Kern wahrer Begleittext daher noch nicht notwendiger Weise zum Überwiegen des Veröffentlichungsinteresses.

Der OGH bestätigte die Beurteilung der Vorinstanzen, wonach die Veröffentlichung des Lichtbilds der Tochter der Kläger untersagt wurde, soweit diese als Verbrechensopfer identifiziert und über weitere Inhalte berichtet wurde. Die erlittenen Verletzungen der Getöteten, ihr Beziehungsleben, die Obsorgestreitigkeiten um ihre Kinder seien dem höchstpersönlichen Lebensbereich zuzuordnen. Eine Berichterstattung über den Kriminalfall wäre auch ohne die Veröffentlichung des Lichtbilds des Opfers möglich gewesen.