OGH-Entscheidung vom 27.2.2019, 6 Ob 181/18p

 

Sachverhalt:

Der Klägerin wurde auf Antrag die Änderung ihres Vornamens und Familiennamens bewilligt. Sie führte in weiterer Folge beim Landesgericht Salzburg einen Zivilprozess gegen Google, weil dessen Internetsuchmaschine bei Eingabe ihres früheren Namens diesen Suchbegriff mittels Autovervollständigung (Autocomplete-Funktion) um den aktuellen Namen ergänzt und auf diese Weise eine von der Klägerin nicht erwünschte Verknüpfung der beiden Namen herstellt. Die Klägerin bekämpft in mehreren Gerichtsverfahren Annahmen und Behauptungen, wonach sie während ihrer Tätigkeit als Zahnärztin in den Niederlanden Patienten nicht lege artis behandelt und/oder Abrechnungen nicht korrekt vorgenommen habe und in weiterer Folge in Großbritannien ihre Eintragung in die Liste der dortigen Zahnärzte unter Verschweigung standesrechtlicher Verfahren in den Niederlanden erreicht habe.

Die im Provisorialverfahren dieses Zivilprozesses ergangene OGH-Entscheidung wurde im Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) veröffentlicht. Die beiden vollständigen Namen der Klägerin waren in einer pdf-Datei dieser Entscheidung ersichtlich.

Der beklagte Rechtsanwalt betreibt eine Website, die er unter anderem dazu benützt, seine rechtswissenschaftlichen Publikationen abrufbar zu halten und Gerichtsentscheidungen zu glossieren. Auf dieser Website gab er den Inhalt der genannten Entscheidung– unter Nennung der Namen der Klägerin – wieder.

Die Klägerin begehrte die Unterlassung der Nennung ihrer Namen auf der Website des Beklagten.

 

Entscheidung:

Erst- und Berufungsgericht gaben der Klage statt. Der OGH hielt die Revision des Beklagten jedoch für zulässig und berechtigt. Aus der Begründung:

Es besteht kein allgemeines Recht, den „Gebrauch“ des Namens eines anderen im geschäftlichen Verkehr, soweit dies durch bloße Namensnennung geschieht, zu unterlassen. Die allfällige Rechtswidrigkeit einer solchen Namensnennung ergibt sich erst aus dem Inhalt der damit verbundenen Aussage. Der Gebrauch des Namens verstößt dann gegen § 16 ABGB, wenn die Namensnennung die schutzwürdigen Interessen des Genannten beeinträchtigt. Der Schutz der Privatsphäre auf der einen Seite ist mit dem Informationsinteresse der Allgemeinheit und dem Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit auf der anderen Seite abzuwägen. Ist die Namensnennung nicht gesetzlich verboten und hat der Namensträger einen sachlichen Anlass zur Nennung seines Namens gegeben, dann wiegt das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit regelmäßig schwerer als der Schutz der Privatsphäre.

Nach Art 10 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Jeder Eingriff in das verfassungsrechtliche Recht auf freie Meinungsäußerung muss gesetzlich vorgesehen sein. Vor dem Hintergrund dieser verfassungsrechtlichen Rechtslage muss die Interessenabwägung allerdings regelmäßig schon dann zugunsten der Berichterstattung ausfallen, wenn nicht überwiegende Gründe deutlich dagegensprechen.

Für Parteien eines Provisorialverfahrens – wie hier – kann es keine uneingeschränkte Anonymität geben, da in einer öffentlichen Verhandlung bzw Verkündung der Entscheidung die Namen der Parteien der anwesenden Öffentlichkeit bekannt werden.

Im Zusammenhang mit dem Widerspruchsrecht betreffend die Verwendung von Daten hat der OGH (implizit) ausgesprochen, dass der von der Datenverwendung Betroffene das Bestehen schutzwürdiger Interessen (für die Geheimhaltung) beweisen muss.

Nach den dargelegten Grundsätzen kam der OGH zu dem Ergebnis, dass die vorzunehmende Interessenabwägung zugunsten des Beklagten ausfällt, weil die Klägerin keine ausreichenden schutzwürdigen Interessen an ihrer Namensanonymität im vorliegenden Zusammenhang behauptet und bewiesen hat.

Grundsätzlich ist in diesem Fall die Namensnennung durch keine eindeutige und ausdrückliche gesetzliche Bestimmung verboten. Wenn die Klägerin die Verpflichtung des OGH anspricht, seine Entscheidungen in der Entscheidungsdokumentation Justiz zu anonymisieren, so richtet sich diese Bestimmung nur an die Justiz selbst, nicht auch an außenstehende Dritte wie den Beklagten.

Nicht der Beklagte muss beweisen, dass die Namensnennung für seine Zwecke notwendig ist, sondern die Klägerin muss das bestehen schutzwürdiger Interessen an der Geheimhaltung beweisen. Aus den Feststellungen ergibt sich auch, dass die Klägerin in der Vergangenheit bis zu einem gewissen Grad selbst einen sachlichen Anlass zur Namensnennung gegeben hat.

Auch wenn sich die Klägerin im Zusammenhang mit der sie namentlich nennenden Berichterstattung über die Vorentscheidung verständlicherweise öffentlich herabgesetzt sieht, rechtfertigt dies nicht ihr allfälliges Geheimhaltungsinteresse an diesen in einem Gerichtsverfahren getroffenen Tatsachenfeststellungen.

Zusammengefasst kam der OGH daher zu dem Ergebnis der Interessenabwägung, dass die von der Klägerin inkriminierte Namensnennung durch den Beklagten im Zusammenhang mit der Entscheidung im Vorprozess nicht rechtswidrig war, weshalb der das Klagebegehren abwies.