OGH-Entscheidung vom 7.5.2019, 6 Ob 218/18d

 

Sachverhalt:

Zwischen den Streitparteien ist ein Scheidungsverfahren anhängig. Der Kläger ist österreichischer Staatsbürger und hat seinen Wohnsitz in Wien. Die Beklagte ist US-amerikanische Staatsbürgerin und wohnt in England.

Die Beklagte habe E-Mails mit falschen und ehrverletzenden Behauptungen über den Kläger an diesen und an Dritte versandt sowie die Nachtruhe des Klägers durch Telefonanrufe und SMS während der Nachtstunden gestört.

Der Kläger brachte seine dagegen gerichtete Klage in Österreich ein. Die Beklagte wandte dagegen u.a. mangelnde internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ein.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht verwarf die Einreden. Das Rekursgericht gab dem Rekurs hinsichtlich der Einrede der mangelnden internationalen Zuständigkeit Folge und hob den angefochtenen Beschluss zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

Der OGH befand den Revisionsrekurs des Klägers für zulässig, aber nicht berechtigt. Aus der Begründung:

Nach der Grundregel des Art 4 Abs 1 EuGVVO 2012 sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit grundsätzlich vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen. Nach Art 7 Nr 2 EuGVVO 2012 kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, und zwar vor dem Gericht des Orts, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht.

Mit „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“ ist sowohl der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs (Erfolgsort) als auch der Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens (Handlungsort) gemeint. Daher kann bei Distanzdelikten sowohl am Handlungsort als auch am Erfolgsort geklagt werden.

Der vom Kläger behauptete Schadenserfolg besteht in der Störung seiner Nachtruhe durch wiederholte Telefonanrufe und dem Erhalt von Kurznachrichten. Ein solcher schädigender Erfolg kann sich nur am Ort des jeweils konkreten Aufenthalts des Klägers im Zeitpunkt des Eingangs des Telefonanrufs oder der Kurznachricht verwirklichen. Eine Rechtsgrundlage für eine Zuständigkeit am Ort des Wohnsitzes des Klägers war für den OGH daher nicht ersichtlich.

Nur im Hinblick auf Inhalte einer Website hätte der Kläger die Wahl, im Fall einer Verletzung von Persönlichkeitsrechten eine Klage auf Schadenersatz entweder bei den Gerichten seines eigenen Wohnsitzes oder denjenigen des Rechtsverletzers einbringen, wobei diese Gerichte nur für die Entscheidung über den Schaden zuständig wären, der in ihrem Hoheitsgebiet entstanden ist. Denn Websites können von einer unbestimmten Zahl von Internetnutzern überall auf der Welt abgerufen werden. Ein derartiges Streudelikt liegt aber hinsichtlich der behaupteten nächtlichen Anrufe und Kurznachrichten nicht vor.

Hinsichtlich seines Unterlassungsbegehrens betreffend die Verbreitung von Behauptungen gegenüber Dritten stützt der Kläger die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts sowohl auf den Handlungs- als auch auf den Erfolgsort. Handlungsort ist der Ort des schadensbegründenden Geschehens, somit der Ort, an dem dieses seinen Ausgang nahm. Im Fall von in Briefen oder Telefonaten begangenen Delikten liegt der Handlungsort dort, wo der Brief aufgegeben oder das Telefongespräch geführt wurde; bei Rechtsverletzungen durch das Einstellen von rechtswidrigen Inhalten ins Internet dort, wo der Täter tatsächlich gehandelt, also den Upload ins Internet veranlasst hat. Bei der vom Kläger behaupteten Rechtsverletzung durch das Verbreiten rechtswidriger Inhalte im Weg von E-Mails liegt der Handlungsort daher an jenem Ort, an dem die Beklagte die beanstandeten Inhalte versendete.

Erfolgsort ist jener Ort, an dem die schädigenden Auswirkungen des haftungsauslösenden Ereignisses zu Lasten des Betroffenen eintreten. Im vorliegenden Fall erfolgte die behauptete Ehrverletzung und Rufschädigung nicht – wie bei Persönlichkeitseingriffen im Internet, sozialen Medien oder in Printmedien – durch das Zugänglichmachen rechtswidriger Inhalte an einen unbestimmten Personenkreis, sondern durch die Verbreitung von Äußerungen an einzelne, konkret bezeichnete Empfänger. Der schädigende Erfolg wird im Fall der Verbreitung von Äußerungen an einzelne Empfänger mit der Kenntnisnahme der beanstandeten Äußerung durch den Empfänger verwirklicht. Insofern ist der Erfolgsort dort, wo die Äußerung den Empfänger erreichte. Allerdings könnte dies den Kläger vor das Problem stellen, den Erfolgsort aus Eigenem zu bestimmen, wenn er den Aufenthaltsort des Empfängers bei Empfang der Nachricht nicht kennt. Das Ziel der Vorhersehbarkeit der Zuständigkeit gebietet daher für den Fall der Persönlichkeitsverletzung durch die Verbreitung rechtswidriger Inhalte im Weg von E-Mail-Nachrichten ein Abstellen auf den Ort des Wohnsitzes des Empfängers der beanstandeten Nachricht.