EuGH-Urteil vom 1.8.2025, Rechtssache C‑452/24

 

Sachverhalt:

Die Lunapark Scandinavia Oy Ltd ist ein finnisches Unternehmen, das sich auf den Vertrieb von Süßwaren, Snacks und Getränken spezialisiert hat. Lunapark ist auch Inhaberin der eingetragenen Marke DRACULA für Süßwaren. Vor der Eintragung dieser Marke hatte die Karkkimies Oy Süßwaren unter dem Zeichen „Dracula“ in Finnland vertrieben, jedoch ohne dabei ein eingetragenes Markenrecht erworben zu haben. Die (hier beklagte) Hardeco Finland Oy übernahm später die Geschäftstätigkeit der Karkkimies Oy und setzte den Vertrieb entsprechender Produkte fort.

Lunapark klagte schließlich wegen Markenrechtsverletzung. Das zuständige Gericht in Finnland erkannte zwar eine Verwechslungsgefahr, wies die Klage jedoch ab. Begründet wurde dies damit, dass Lunapark durch jahrelanges Untätigbleiben ihr Recht verwirkt habe, sich gegen die weitere Benutzung des Zeichens „Dracula“ zur Wehr zu setzen. Dabei stützte sich das Gericht auf einen allgemeinen Grundsatz des finnischen Zivilrechts, wonach Ansprüche innerhalb angemessener Zeit geltend zu machen sind.

Lunapark legte Rechtsmittel ein und machte geltend, dass dieser allgemeine Grundsatz auf Markenrechte nicht anwendbar sei, da die Markenrichtlinie 2015/2436 eine abschließende Regelung zur Verwirkung durch Duldung enthalte. Das Oberste Gericht Finnlands legte den Fall dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.

 

Entscheidung:

Der EuGH stellte klar, dass Art 10 der Markenrichtlinie 2015/2436 eine vollständige Harmonisierung der Rechte des Markeninhabers vornimmt. Mit der Eintragung erwirbt dieser ein ausschließliches Recht, das nur unter den ausdrücklich in der Richtlinie genannten Voraussetzungen beschränkt werden kann. Insbesondere Art 9 und Art 18 Abs 1 regeln abschließend, unter welchen Bedingungen eine Verwirkung durch Duldung eintreten kann. Danach kann der Inhaber einer älteren Marke die Benutzung einer später eingetragenen Marke nicht mehr angreifen, wenn er diese Benutzung über einen Zeitraum von fünf Jahren in Kenntnis hingenommen hat.

Der EuGH betonte, dass diese Regelung ausschließlich Konflikte zwischen eingetragenen Marken betrifft und nicht auf nicht registrierte Zeichen anwendbar ist, die kein ausschließliches Recht gewähren. Eine Ausdehnung dieses Verwirkungstatbestandes auf andere Konstellationen über den Weg eines allgemeinen nationalen Rechtsgrundsatzes widerspricht dem Ziel der Richtlinie, einen einheitlichen Markenschutz in der gesamten Europäischen Union zu gewährleisten.

Daher dürfen nationale Gerichte das ausschließliche Markenrecht nicht über die unionsrechtlich vorgesehenen Grenzen hinaus beschneiden. Der Umstand, dass der Markeninhaber in der Vergangenheit gegen die Benutzung eines nicht eingetragenen Zeichens untätig geblieben ist, kann die Geltendmachung seiner Rechte nicht ausschließen.

Der EuGH beantwortete die Vorlagefrage eindeutig dahin, dass Art 10 der Richtlinie einer Anwendung nationaler Grundsätze, die eine weitergehende Verwirkung vorsehen, entgegensteht.

 

 

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