OGH-Entscheidung vom 21.11.2023, 4 Ob 109/23t

 

Sachverhalt:

Die Klägerin (AKM) ist eine österreichische Verwertungsgesellschaft, die für Werke der Tonkunst über eine aufrechte Betriebsgenehmigung mit der Befugnis zur treuhändigen Wahrnehmung von Senderechten auf dem Gebiet der Republik Österreich verfügt. Sie hat mit einigen ausländischen Verwertungsgesellschaften Gegenseitigkeitsverträge abgeschlossen.

Die Beklagte mit Sitz in Luxemburg bietet gegen Entgelt in Österreich Programme zahlreicher Rundfunkunternehmen zu unterschiedlichen Paketen (Satellitenbouquets) gebündelt über Satellit in High Definition (HD) und Standard Definition (SD) verschlüsselt an. Ihren Kunden stellt sie mit Zustimmung der Sendeunternehmen Zugangsschlüssel zur Verfügung. Die Eingabe der jeweiligen programmtragenden Satellitensignale in die Kommunikationskette (Uplink) erfolgt zum überwiegenden Teil durch die Sendeunternehmen selbst und in ihrer Verantwortung, in wenigen Fällen durch die Beklagte, durchwegs jedoch nicht in Österreich, sondern in anderen EU-Mitgliedstaaten.

Die AKM klagte auf Unterlassung. Sie habe der Signalweiterverbreitung bzw -übertragung durch die Beklagte keine Zustimmung erteilt.

 

Entscheidung:

Die Vorinstanzen wiesen das auf Unterlassung der Weiterverbreitung des Satellitensignals in Österreich gerichtete Klagebegehren mittels Teilurteils ab, gaben aber der Klage in Ansehung der Begehren auf Unterlassung der auf das österreichische Hoheitsgebiet ausgerichteten Satellitensendung der in Frage stehenden Programmsignale weitgehend statt.

Der OGH legte das Verfahren dem EuGH zur Vorabentscheidung vor. Unter Berücksichtigung der Entscheidung des EuGH (hier nachzulesen), wies der OGH die Klage der AKM ab:

Nach Art 1 Abs 2 lit b RL 93/83 findet die öffentliche Wiedergabe über Satellit nur in dem Mitgliedstaat statt, in dem die programmtragenden Signale unter der Kontrolle des Sendeunternehmens und auf dessen Verantwortung in eine ununterbrochene Kommunikationskette eingegeben werden, die zum Satelliten und zurück zur Erde führt (Sendelandprinzip).

Der EuGH hat entschieden, dass ein Satellitenbouquet-Anbieter, der verpflichtet ist, für eine öffentliche Wiedergabe über Satellit, an der er mitwirkt, die Zustimmung der Inhaber der betreffenden Urheberrechte und verwandten Schutzrechte einzuholen, diese Zustimmung nur in dem Mitgliedstaat einholen muss, in dem die programmtragenden Signale in die zum Satelliten führende Kommunikationskette eingegeben werden. Daraus kann abgeleitet werden, dass die Nutzungshandlung (Öffentliche Wiedergabe) nur im Sendeland stattfindet.

§ 17b Abs 1 UrhG ist richtlinienkonform zu interpretieren: Das Sendelandprinzip gilt somit auch für Satellitenbouquet-Anbieter. Daraus folgt, dass bei unterbliebener Zustimmung zur Werknutzung eine allenfalls rechtswidrige Verwertungshandlung ausschließlich im Sendestaat erfolgt und (unabhängig davon, ob die fehlende Einwilligung in die Werknutzung das Sendeunternehmen betrifft oder den beteiligten Bouquet-Anbieter) die Verletzungshandlungen nicht die Klägerin, sondern die jeweils „zuständige“ Verwertungsgesellschaft im Sendeland geltend machen kann.

Im vorliegenden Fall erfolgt die Eingabe der Satellitensignale in die Kommunikationskette nicht in Österreich, sondern in anderen EU-Mitgliedsstaaten. Dementsprechend ist Österreich nicht der Sendestaat und die Klägerin nicht Rechteinhaberin im Sendestaat. Damit mangelt es der Klägerin an der Berechtigung zur Geltendmachung der Rechte aus dem Sendestaat und somit an der Aktivlegitimation für die gegenständliche Klage. Das Klagebegehren war daher abzuweisen.

 

Link zur Entscheidung

 

Weitere Blog-Beiträge zum Thema Verwertungsrechte:

EuGH: Hintergrundmusik im Flugzeug ist eine „öffentliche Wiedergabe“

EuGH: Vergütungsansprüche für Privatkopien bestehen prinzipiell auch in der Cloud

Einbettung urheberrechtlich geschützter Inhalte trotz Maßnahmen gegen Framing = Zugänglichmachung für neues Publikum

Verletzt Hotelzimmerfernsehen urheberrechtliche Leistungsschutzrechte des Rundfunkunternehmers?

BitTorrent-Plattformen: OGH entscheidet über Sperrverfügungen gegen Access-Provider

BGH: Keine Urhebervergütung für das bloße Bereitstellen von Fernsehgeräten in Hotelzimmern

EuGH/Urheberrecht: (Bild-)Reproduktionen auf Leinwänden sind höherwertiger als Poster; Verwertung bedarf eigener Erlaubnis

EuGH zu Auskunftsanspruch bei Urheberrechtsverletzungen auf YouTube: „Adresse“ ist die Postanschrift eines Nutzers, nicht aber dessen E-Mail-Adresse, Telefonnummer oder IP-Adresse.