OGH-Entscheidung vom 31.1.2023, 4 Ob 5/23y

 

Sachverhalt:

Wie auch schon vor 3 Jahren (siehe Blog-Beitrag hier), beantragte die Betreiberin eines Baumarktes die Eintragung der Farbmarke RAL 2008 Orange in das österreichische Markenregister für Dienstleistungen der Klasse 35 (Einzelhandelsdienstleistungen im Bereich von Bau- und Heimwerkerartikeln).

Dieses Mal jedoch aufgrund von Verkehrsgeltung, nachdem die Markenanmeldung im ersten Anlauf gescheitert war. Die Antragstellerin legte ein neues demoskopisches Gutachten vor, dem die Befragung von 1.000 in Österreich lebenden Personen ab 14 Jahren zugrunde lag.

 

Entscheidung:

Das Patentamt und das Rekursgericht lehnten die Eintragung der Marke mangels Verkehrsgeltung ab. Auch der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin blieb erfolglos. Der OGH verwies in seiner Begründung auf die im Jahr 2020 ergangene Entscheidung zur selben Farbmarke. Demnach kann eine Farbe als solche für bestimmte Waren oder Dienstleistungen Unterscheidungskraft haben, sofern sie Gegenstand einer grafischen Darstellung sein kann, die klar, eindeutig, in sich abgeschlossen, leicht zugänglich, verständlich, dauerhaft und objektiv ist.

Die Zahl der Farben, die das allgemeine Publikum unterscheiden kann, ist niedrig. Die geringe Zahl der unterscheidbaren Farben führt zu einer Verringerung der tatsächlich verfügbaren Farben mit der Folge, dass mit wenigen Eintragungen von Marken für bestimmte Dienstleistungen oder Waren der ganze Bestand an verfügbaren Farben erschöpft werden könnte, weshalb in diesem Bereich grundsätzlich ein hohes Freihaltebedürfnis besteht.

Wenn einer Farbe nicht von vornherein Unterscheidungskraft zukommt, kann sie diese infolge ihrer Benutzung als Kennzeichen erwerben. Die Benutzung muss dazu geführt haben, dass die beteiligten Verkehrskreise oder zumindest ein erheblicher Teil dieser Kreise die Ware oder Dienstleistung durch das Zeichen als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennen. Berücksichtigt werden dabei insbesondere der Marktanteil der betreffenden Marke, die Intensität, geografische Verbreitung und Dauer ihrer Benutzung, der Werbeaufwand, der Zuordnungsgrad, sowie Erklärungen von Industrie- und Handelskammern oder anderen Berufsverbänden.

Je größer das Freihaltebedürfnis und je geringer die Kennzeichnungskraft ist, desto höher muss die Verkehrsgeltung sein, um einen Schutz zu rechtfertigen. Bereits in seiner früheren Entscheidung hat der OGH die bisherige Rechtsprechung dargestellt, wonach Zuordnungsgrade von 85 % bis 90 % als ausreichend und solche von 65 % sowie von wenig mehr als 50 % jedoch als nicht ausreichend qualifiziert worden sind.

Aus dem neu vorgelegten demoskopischen Gutachten leiteten die Vorinstanzen einen Kennzeichnungsgrad von 50–58 % ab. Im Lichte der oben dargestellten Vorjudikatur sah der OGH darin keinen Anlass für eine Neubeurteilung der Verkehrsgeltung. Auch unter Berücksichtigung eines Marktanteils von 35 % der Antragstellerin und dem Umstand, dass immer noch 10 % der Befragten die Farbe einem anderen konkret genannten Unternehmen zuordneten, erachtete der OGH die Beurteilung der Vorinstanzen für vertretbar.

 

Link zum Entscheidungstext

Link zur vorhergehenden Entscheidung

 

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