OGH-Entscheidung vom 30.6.2022, 4 Ob 99/22w

 

Sachverhalt:

Wohnungseigentümer schlossen mit der Klägerin (als Werkunternehmerin und Bauträgerin) einen Werkvertrag über die Sanierung des Wohngebäudes. Die Klägerin gab die Bauausführung an ein anderes Bauunternehmen (Subunternehmer) weiter, das sich ihrerseits – mit Zustimmung der Klägerin – weiterer „Sub-Subunternehmer“ bediente. Eines der „Sub-Subunternehmen“ führte seine Werkleistungen und Verbesserungsarbeiten mangelhaft aus, wodurch zwei Wohnungseigentümer Schäden erlitten.

In einem Vorprozess wurde die (hier) Klägerin rechtskräftig zum Ersatz der Sanierungskosten verurteilt. Die Klägerin begehrte nun EUR 65.000 und die Feststellung der Haftung für künftige Schäden wegen vom hier beklagten „Sub-Subunternehmen“ verursachten Bau- und Ausführungsmängel.

Die Beklagte wandte fehlende Aktivlegitimation ein. Zwischen den Streitteilen habe keine vertragliche Beziehung bestanden. Dem (eigentlich beauftragenden) Subunternehmer sei kein Schaden entstanden, sodass dieser auch keine Regressansprüche gegen die Beklagte an die Klägerin abtreten habe können.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren mit Teilurteil statt. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und ließ den Rekurs nach § 519 Abs 1 Z 2 iVm Abs 2 ZPO zur Frage zu, ob sich der (General-)Unternehmer nach § 1313 zweiter Satz ABGB auch gegen einen „Sub-Subunternehmer“, mit dem kein direkter Vertrag bestehe, regressieren könne. Der OGH befand den Rekurs der beklagten Partei zur Klarstellung der Rechtslage für zulässig und auch berechtigt:

Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass ein auf § 896 ABGB gestützter Regress der Klägerin schon deshalb ausscheide, weil die Streitteile gegenüber den Bestellern nicht solidarisch haften. Ein Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und den Bestellern lag nicht vor.

Es ist unstrittig, dass der Subunternehmer wegen der mangelhaften Bauführung durch das beklagte Sub-Subunternehmen keinen Ersatz leisten musste. Der Rückersatzanspruch gemäß § 1313 ABGB zweiter Satz entsteht aber noch nicht mit dem Schaden des Dritten selbst oder mit der Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs durch den geschädigten Dritten, sondern erst dann, wenn und soweit der in Anspruch genommene Teil dem Dritten tatsächlich Ersatz geleistet hat („Rückersatz“).

Ein auf § 1313 zweiter Satz ABGB gestützter Rückgriff scheiterte im vorliegenden Fall. Die drei Vertragsbeziehungen (1. Besteller–Klägerin, 2. Klägerin–Subunternehmer, 3. Subunternehmer–Beklagte) sind strikt voneinander zu trennen. Der Umstand, dass ein Vertragspartner (zB Generalunternehmer) bei einer sogenannten Erfüllungsgehilfenkette auch für das Verschulden des von seinem Erfüllungsgehilfen verwendeten weiteren Erfüllungsgehilfen („Sub-Subunternehmer“) haftet, kann hier einen Regressanspruch der klagenden Generalunternehmerin gegen die beklagte „Sub-Subunternehmerin“ nicht stützen. Der Haftung (zB) eines Generalunternehmers bei einer Erfüllungsgehilfenkette liegt zugrunde, dass sich dieser auch des „Sub-Subunternehmers“ zur Interessenverfolgung gegenüber dem Besteller bedient. Ein Gehilfe selbst haftet gegenüber dem Besteller aber nicht vertraglich, was durch die (vertragliche) Haftung des Generalunternehmers für das Verhalten des Gehilfen ausgeglichen wird. In Anbetracht des Umstands, dass sich der Besteller bei vertraglichen Ansprüchen an seinen Vertragspartner richten muss, wäre es ein Wertungswiderspruch, wenn dieser bei einer Erfüllungsgehilfenkette es sich aussuchen könnte, ob er sich bei seinem Vertragspartner (hier: Subunternehmer) oder einem weiteren Gehilfen (hier: Beklagte) regressiert. Für einen „Sprungregress“ wäre erforderlich gewesen, dass die bloße Verweigerung des Sprungregresses (zwischen den Streitteilen) zu grob unbilligen Ergebnissen führen würde. Eine solche Konstellation konnte der OGH im vorliegenden Fall nicht erkennen.

Die Klägerin ging schlicht irrtümlich davon aus, dass die Beklagte ihre eigene Gehilfin war. Die Tatsache, dass wegen dieses Irrtums der Prozessverlust der Klägerin verbunden ist, kann ebenfalls nicht die Annahme eines grob unbilligen Ergebnisses rechtfertigen.

 

 

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