OGH-Entscheidung vom 29.8.2013, 1 Ob 106/13

Grundsätzliches zum Gewährleistungsrecht:

Gemäß § 932 Abs 1 ABGB kann der Übernehmer wegen eines Mangels die Verbesserung (Nachbesserung oder Nachtrag des Fehlenden), den Austausch der Sache, eine angemessene Minderung des Entgelts (Preisminderung) oder die Aufhebung des Vertrags (Wandlung) fordern.
Gemäß Abs 2 hat er primär Anspruch auf Verbesserung oder Austausch.
Er kann nach § 932 Abs 2 bis 4 ABGB die sekundären Gewährleistungsbehelfe, Preisminderung und Wandlung, (nur) geltend machen, wenn sowohl die Verbesserung als auch der Austausch unmöglich oder für den Übergeber mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden sind oder der Übergeber die Verbesserung oder den Austausch verweigert oder nicht in angemessener Frist vornimmt oder diese Abhilfen für den Übernehmer (Besteller) mit erheblichen Unannehmlichkeiten verbunden sind oder wenn sie ihm aus triftigen, in der Person des Übergebers liegenden Gründen unzumutbar sind.
Die Wandlung setzt überdies voraus, dass der Mangel nicht geringfügig ist. Der OGH hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass der Übernehmer schon bei Misslingen des ersten Verbesserungsversuchs den Sekundärbehelf (Wandlung oder Preisminderung) in Anspruch nehmen kann.

Sachverhalt:

Eine österreichische Gemeinde kaufte ein Räumfahrzeug. Im Kaufvertrag wurde vereinbart, dass bei mangelhaft gelieferter Ware lediglich Anspruch auf Verbesserung oder Austausch innerhalb angemessener Frist besteht und Schadenersatzansprüche nur zustünden, wenn der Verkäuferin zumindest grobe Fahrlässigkeit zur Last falle.

Kurz nach der Übergabe des Fahrzeugs zeigte sich, dass die Fahrer ab einer Geschwindigkeit von ca 25 bis 30 km/h im Sitz „rauf und runter geschubst“ wurden. Nach Reklamation der Gemeinde justierte die Verkäuferin die Luftfederung, jedoch ohne Erfolg. Zwei weitere Verbesserungsversuche scheiterten; bis zuletzt erfolgte keine Behebung des Mangels.

Die Gemeinde begehrte die Wandlung des Kaufvertrags und klagte die Verkäuferin auf Rückzahlung des Kaufpreises.

Entscheidung:

Während das Erstgericht die Klage abwies, verpflichtete das Berufungsgericht die Beklagte zur Rückzahlung des Kaufpreises. Der OGH lies die gegen dieses Urteil gerichtete außerordentliche Revision im Hinblick auf fehlende oberstgerichtliche Rechtsprechung zum Verzicht auf einzelne Gewährleistungsbehelfe zur Rechtslage nach dem Gewährleistungsrechts-Änderungsgesetz zu, gab ihr jedoch nicht Folge.

Auch nach dem gemäß Art IV des Gewährleistungsrechts-Änderungsgesetzes (GewRÄG) für den nach dem 31.12.2001 geschlossenen Kaufvertrag maßgeblichen (neuen) Gewährleistungsrecht ist ein – wie hier – außerhalb von Verbrauchergeschäften nach dem (§ 9) KSchG vereinbarter vertraglicher Verzicht auf Gewährleistungsansprüche grundsätzlich zulässig.
Nach ständiger Rechtsprechung zum früheren Gewährleistungsrecht war der Verzicht auf einzelne Gewährleistungsbehelfe an sich möglich, sofern die Mängel auch dann noch ausreichend sanktioniert blieben. Der Käufer konnte auf die Geltendmachung der Gewährleistung durch Wandlung und Preisminderung zwar wirksam verzichten, führte die Forderung auf Verbesserung jedoch nicht zum Ziel, indem der Verkäufer den, auch behebbaren, Mangel nicht beseitigte, so konnte der Käufer nur mehr Wandlung begehren. Waren wesentliche, also den ordentlichen Gebrauch hindernde Mängel entweder von vornherein unbehebbar oder vom Verkäufer trotz (rechtzeitiger) Verbesserungsversuche nicht zu beheben, so konnte sich der Verkäufer auf den Ausschluss des Wandlungsrechts, weil dieser gröblich benachteiligend wäre (§ 879 Abs 3 ABGB), nicht mit Erfolg berufen.
Eine rechtsgeschäftliche Einschränkung oder ein Ausschluss der Gewährleistung kann daher unter solchen Umständen sittenwidrig sein. Das Wandlungsrecht war somit berechtigt; es führt zur Auflösung des Kaufvertrags ex tunc.