EuGH-Entscheidung vom 5.7.2018, Rechtssache C‑339/17

Sachverhalt:

Der deutsche Verein für lauteren Wettbewerb war der Ansicht, dass Princesport (ein Unternehmen für Sportbekleidung) bei der Bewerbung und beim Vertrieb seiner ausschließlich aus einer Faser bestehenden Textilerzeugnisse über das Internet die Anforderungen an die Etikettierung und die Kennzeichnung nicht beachte und daher gegen bestimmte Vorschriften des deutschen UWG sowie gegen die EU-Textilkennzeichnungsverordnung Nr. 1007/2011 verstoße.

Princesport argumentierte, dass die Verordnung nicht die Pflicht vorsehe, reine Textilerzeugnisse mit den Zusätzen „rein“ oder „ganz“ zu bezeichnen, sondern lediglich klarstelle, dass solche Erzeugnisse diese Zusätze führen dürften.

Der Verein für lauteren Wettbewerb war demgegenüber der Auffassung, dass es zwingend sei, reine Textilerzeugnisse als solche zu bezeichnen.

Das Landesgericht Köln legte die maßgeblichen Rechtsfragen dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.

Entscheidung:

Der EuGH hielt zunächst fest, dass die betreffenden Textilerzeugnisse über einen Online-Katalog verkauft werden und somit in den Geltungsbereich der Textilkennzeichnungsverordnung fallen. Gemäß Art. 16 Abs. 1 dieser Verordnung müssen Beschreibungen der Textilfaserzusammensetzung leicht lesbar, sichtbar und deutlich erkennbar angegeben werden. Diese Informationen müssen für Verbraucher vor dem Kauf deutlich sichtbar sein, was auch für Fälle gilt, in denen der Kauf auf elektronischem Wege erfolgt. Eine allgemeine Verpflichtung, Textilerzeugnisse, auch reine Textilerzeugnisse, zur Angabe ihrer Faserzusammensetzung zu etikettieren oder zu kennzeichnen, ergibt sich unzweifelhaft aus Art. 4 und aus Art. 14 Abs. 1 der Verordnung in Verbindung mit deren zehntem Erwägungsgrund (Etikettierung oder die Kennzeichnung der Faserzusammensetzung sollte „zwingend sein“). Für Verbraucher soll gewährleistet werden, dass sie korrekte und präzise Informationen erhalten.

Daraus folgerte der EuGH, dass eine allgemeine Verpflichtung besteht, sämtliche Textilerzeugnisse, auch Textilerzeugnisse im Sinne von Art. 7 dieser Verordnung, zur Angabe ihrer Faserzusammensetzung zu etikettieren oder zu kennzeichnen.

Nach Art. 7 Abs. 1 der Verordnung, dürfen nur Textilerzeugnisse, die ausschließlich aus einer Faser bestehen, den Zusatz „100 %“, „rein“ oder „ganz“ auf dem Etikett oder der Kennzeichnung tragen. Somit „dürfen“ nur reine Textilerzeugnisse, die ausschließlich aus einer Faser bestehen, eine Kennzeichnung oder ein Etikett tragen, die oder das einen der drei in dieser Bestimmung genannten Zusätze enthält. Die Verwendung des Begriffs „dürfen“ in dieser Bestimmung zeigt eindeutig, dass die Verwendung der Zusätze „100 %“, „rein“ oder „ganz“ keine Verpflichtung, sondern rein fakultativ ist. Somit erlaubt diese Bestimmung die Nennung der Bezeichnung der Textilfaser, aus der das fragliche reine Textilerzeugnis besteht, ohne Angabe eines dieser drei Zusätze.  Die Begriffe „100 %“, „rein“ oder „ganz“ sind lediglich Beispiele für Zusätze.

Art. 7 Abs. 1 der Verordnung ist daher dahin auszulegen, dass er nicht zur Verwendung eines der drei in dieser Bestimmung genannten Zusätze „100 %“, „rein“ oder „ganz“ auf dem Etikett oder der Kennzeichnung eines reinen Textilerzeugnisses verpflichtet. Werden diese Zusätze verwendet, kann dies in kombinierter Form geschehen.

Art. 9 der Verordnung gilt für „Multifaser-Textilerzeugnisse“, während Art. 7 „reine Textilerzeugnisse“ betrifft. Der Geltungsbereich dieser Artikel ist danach jeweils auf eine spezifische Kategorie von Textilerzeugnissen begrenzt.

Art. 9 Abs. 1 der Verordnung ist daher dahin auszulegen, dass die Verpflichtung, auf dem Etikett oder der Kennzeichnung die Bezeichnung und den Gewichtsanteil aller in dem fraglichen Textilerzeugnis enthaltenen Fasern anzugeben, für ein reines Textilerzeugnis nicht gilt.