EuGH-Urteil vom 21.10.2015, Rechtssache C‑347/14

Sachverhalt:

Die New Media Online GmbH betreibt unter der Internetadresse www.tt.com die Online-Zeitung Tiroler Tageszeitung Online. Auf dieser Website, die hauptsächlich Presseartikel enthält, befand sich ein Link, der auf eine Subdomain, video.tt.com, mit der Bezeichnung „Video“ verwies und zu einer Seite führte, auf der anhand eines Suchkatalogs mehr als 300 Videos abgerufen werden konnten. Die Videos enthielten redaktionell gestaltete Berichte unterschiedlicher Länge über verschiedene Themen, wie etwa lokale Veranstaltungen und Ereignisse, Befragungen von Passanten zu aktuellen Themen, Sportveranstaltungen, Filmtrailer, Bastelanleitungen für Kinder oder redaktionell ausgewählte Videos von Lesern. Nur wenige der angebotenen Videos hatten einen Bezug zu den Artikeln auf der Website der Tiroler Tageszeitung.

Die Kommunikationsbehörde Austria stellte mit Bescheid fest, dass die New Media Online GmbH mit der Subdomain Video einen audiovisuellen Mediendienst auf Abruf im Sinne von § 2 Z 3 in Verbindung mit Z 4 AMD-G veranstalte, welcher der Anzeigepflicht gemäß § 9 Abs. 1 AMD-G unterliege. Die Subdomain Video habe Fernsehcharakter und erfülle eine gegenüber der übrigen Website der Tiroler Tageszeitung eigenständige Funktion. Sie genüge dem Kriterium des Hauptzwecks der Bereitstellung von Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung der allgemeinen Öffentlichkeit. Daher falle die Subdomain Video in den Anwendungsbereich des AMD-G und unterliege dessen rechtlichen Anforderungen.

Der Bundeskommunikationssenat wies die Berufung ab. Der VwGH setzte das Verfahren aus und legte es dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.

Entscheidung:

Als erstes wollte der VwGH wissen, ob der Begriff „Sendung“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2010/13 dahin auszulegen ist, dass er die Bereitstellung kurzer Videos, die kurzen Sequenzen aus lokalen Nachrichten, Sport oder Unterhaltung entsprechen, in einer Subdomain der Website einer Zeitung erfasst. Der EuGH bejahte diese Frage, da sowohl der Begriff „Sendung“ definitionsgemäß erfüllt wurde („eine Abfolge von bewegten Bildern …, die Einzelbestandteil eines von einem Mediendiensteanbieter erstellten Sendeplans oder Katalogs ist und deren Form und Inhalt mit der Form und dem Inhalt von Fernsehprogrammen vergleichbar sind“) und die Richtlinie auch keine Anforderung hinsichtlich der Dauer Sendungen enthält. Daher können auch kurze Clips Sendungen im Sinne der Richtlinie sein.

Mit seiner zweiten Frage wollte der VwGH wissen, nach welchen Kriterien der Hauptzweck im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2010/13 eines Dienstes der Bereitstellung von Videos zu bestimmen ist, der in der elektronischen Ausgabe einer Zeitung angeboten wird. Der EuGH antwortete auf diese Frage, dass bei der Beurteilung des Hauptzwecks eines in der elektronischen Ausgabe einer Zeitung angebotenen Dienstes der Bereitstellung von Videos darauf abzustellen ist, ob dieser Dienst als solcher in Inhalt und Funktion gegenüber der journalistischen Tätigkeit des Betreibers der betreffenden Website eigenständig und nicht nur eine – insbesondere wegen der zwischen dem audiovisuellen Angebot und dem Textangebot bestehenden Verbindungen – unabtrennbare Ergänzung dieser Tätigkeit ist. Diese Beurteilung ist Sache des vorlegenden Gerichts.