EuGH-Entscheidung vom 27.3.2014, Rechtssache C‑314/12:

Sachverhalt und Verfahren in Österreich:

Die Constantin Film Verleih GmbH und die Wega Filmproduktionsgesellschaft mbH stellten fest, dass auf einer Website (kino.to) bestimmte von ihnen produzierte Filme ohne ihre Zustimmung heruntergeladen oder per Streaming angesehen werden konnten. Beide brachten auf der Grundlage von § 81 Abs 1a UrhG einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ein, wonach die UPC Telekabel Wien GmbH den Zugang ihrer Kunden zu dieser Website zu sperren sollte.

Das Handelgericht Wien erlies die EV und untersagte es UPC Telekabel, ihren Kunden Zugang zu der beanstandeten Website zu gewähren, wobei dieses Verbot insbesondere durch Blockieren des Domainnamens und der aktuellen sowie der in Zukunft von dieser Gesellschaft nachgewiesenen IP-Adressen dieser Website vollzogen werden sollte. Das OLG Wien änderte den Beschluss insofern ab, als nur ein Erfolgsverbot in der Form auferlegt wurde, dass UPC Telekabel zwar ihren Kunden den Zugang zu der beanstandeten Website verwehren müsse, ihr aber die Wahl der dabei anzuwendenden Mittel freistehe.

UPC Telekabel erhob dagegen Revisionsrekurs an den OGH mit der Begründung, dass die von ihr erbrachten Dienste nicht zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt würden, da sie mit den Betreibern der beanstandeten Website nicht in einer Geschäftsbeziehung stehe und nicht erwiesen sei, dass ihre eigenen Kunden rechtswidrig gehandelt hätten. Jedenfalls könne jede der möglichen Sperren technisch umgangen werden, und einige dieser Sperren seien übermäßig kostspielig.

Vorlagefragen:

Der OGH setzte daraufhin das Verfahren aus und legte dem EuGH (verkürzt) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:

  • Ist Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen, dass eine Person (hier: Betreiber der Website kino.to), die ohne Zustimmung des Rechteinhabers (hier: Constantin Film und Wega) Schutzgegenstände im Internet zugänglich macht, die Dienste der Access-Provider (hier: UPC) jener Personen nutzt, die auf diese Schutzgegenstände zugreifen?
  • Ist es mit dem Unionsrecht vereinbar, einem Access-Provider ganz allgemein (also ohne Anordnung konkreter Maßnahmen) zu verbieten, seinen Kunden den Zugang zu einer bestimmten Website zu ermöglichen, solange dort ausschließlich oder doch weit überwiegend Inhalte ohne Zustimmung der Rechteinhaber zugänglich gemacht werden, wenn der Access-Provider Beugestrafen wegen Verletzung dieses Verbots durch den Nachweis abwenden kann, dass er ohnehin alle zumutbaren Maßnahmen gesetzt hat?

Entscheidung:

Der EuGH bejahte die erste Frage im Prinzip und antwortete, dass Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen ist, dass eine Person, die ohne Zustimmung des Rechtsinhabers Schutzgegenstände auf einer Website öffentlich zugänglich macht, die Dienste des als Vermittler anzusehenden Anbieters von Internetzugangsdiensten der auf diese Schutzgegenstände zugreifenden Personen nutzt.

Das Unionsrecht steht auch einer gerichtlichen Anordnung nicht entgegen, mit der einem Anbieter von Internetzugangsdiensten verboten wird, seinen Kunden den Zugang zu einer Website zu ermöglichen, auf der ohne Zustimmung der Rechtsinhaber Schutzgegenstände online zugänglich gemacht werden, wenn die Anordnung keine Angaben dazu enthält, welche Maßnahmen dieser Anbieter ergreifen muss, und wenn er Beugestrafen wegen eines Verstoßes gegen die Anordnung durch den Nachweis abwenden kann, dass er alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat.

Dies setzt allerdings voraus, dass die ergriffenen Maßnahmen zum einen den Internetnutzern nicht unnötig die Möglichkeit vorenthalten, in rechtmäßiger Weise Zugang zu den verfügbaren Informationen zu erlangen, und zum anderen bewirken, dass unerlaubte Zugriffe auf die Schutzgegenstände verhindert oder zumindest erschwert werden und dass die Internetnutzer, die die Dienste des Adressaten der Anordnung in Anspruch nehmen, zuverlässig davon abgehalten werden, auf die ihnen unter Verletzung des Rechts des geistigen Eigentums zugänglich gemachten Schutzgegenstände zuzugreifen, was die nationalen Behörden und Gerichte zu prüfen haben.