OGH-Entscheidung vom 11.8.2020, 4 Ob 102/20h

 

Sachverhalt:

Die Klägerin bietet Privat- und Geschäftskunden Stromprodukte an. Für den Abschluss ihrer Online-Tarife ist Voraussetzung, dass der Kunde den Vertrag persönlich und nicht durch einen Stellvertreter abschließt. Der Kunde muss dies während des Bestellvorgangs bestätigen.

Die Beklagte bietet ein automatisches Wechselservice für Energieanbieter für Privatpersonen an. Zu diesem Zweck musste Kunde der Beklagten eine Vollmacht erteilt. Beim Abschluss des Online-Vertrags gibt ein Mitarbeiter der Beklagten wahrheitswidrig an, dass der Kunde die persönlichen Daten selbst angegeben hat.

Die Klägerin beantragte, der Beklagten diese Vorgehensweise im geschäftlichen Verkehr zu verbieten.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht wies den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Gänze ab. Das Erfordernis der Erklärung, dass der Vertrag ausschließlich im eigenen Namen abgeschlossen werde, sei iSd § 879 Abs 3 ABGB gröblich benachteiligend. Auch nach dem ElWOG sei ein Handeln durch Stellvertreter nicht ausgeschlossen. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin teilweise Folge. Der OGH befand den Revisionsrekurs der Beklagten gegen diese Entscheidung für zulässig und auch berechtigt. Aus der Begründung:

Der OGH bestätigte zunächst, dass die Beklagte im geschäftlichen Verkehr handelt, da sie einer auf Erwerb gerichtete Tätigkeit nachgeht. Diese Voraussetzung sei hier unstrittig gegeben, zumal die Beklagte für ihre Vermittlungstätigkeit ein Entgelt erhält. Da die Beklagte als Vertreterin für ihre Kunden den Wechsel von einem Stromanbieter zum anderen vornimmt, fördert sie auch den Wettbewerb der Konkurrenten der Klägerin. Ein Handeln im geschäftlichen Verkehr und das Bestehen eines objektiven Wettbewerbsverhältnisses waren daher zu bejahen.

Zum Bestreiten der Beklagte, lauterkeitswidrig zu handeln, weil die von der Klägerin verlangte Erklärung über den Eigenabschluss des Online-Vertrags nichtig und damit unwirksam sei, führte der OGH folgenden Grundsatz aus: Ist die zugrunde liegende vertragliche Regelung, auf deren Verstoß durch die beklagte Partei sich die klagende Partei im Lauterkeitsprozess beruft (hier Ausschluss der Stellvertretung), zufolge Sittenwidrigkeit oder gröblicher Benachteiligung iSd § 879 Abs 3 ABGB nichtig und damit unwirksam, so begründet der inkriminierte Verstoß keine lauterkeitsrechtlich relevante Täuschung.

Die Beklagte kann sich im Lauterkeitsprozess daher auf die Nichtigkeit der zugrunde liegenden Vertragsklausel berufen. Ein Beitrag zu einem fremden Vertragsbruch (hier: wahrheitswidrige Erklärung im Namen des Kunden) ist nach der Rechtsprechung dann nicht unlauter, wenn sich der Vertrag mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als ungültig erweist.

Der Klägerin steht zwar grundsätzlich die Entscheidungsfreiheit darüber zu, ob und mit wem sie einen Vertrag abschließt; im Zuge der Klausel-Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB führte der OGH jedoch aus, dass bei der Abweichung einer Vertragsklausel von dispositiven Rechtsvorschriften dann eine gröbliche Benachteiligung eines Vertragspartners vorliegt, wenn sie unsachlich und unangemessen ist. Die streitgegenständliche Klausel sei für die Kunden gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB und daher nichtig, weil sie unter bestimmten Voraussetzungen die Online-Angebote der Klägerin nicht in Anspruch nehmen können, etwa weil sie sich vertreten lassen wollen.

Die Beklagte konnte sich somit erfolgreich auf die Unwirksamkeit dieser Vertragsklausel berufen; die ihr vorgeworfene Lauterkeitswidrigkeit besteht nicht. Der Sicherungsantrag wurde daher vom OGH abgewiesen.