OGH-Entscheidung vom 22.4.2022, 8 Ob 41/22w

 

Sachverhalt:

Die Klägerin hatte ihr Pferd in einem Reitstall gegen ein monatliches Entgelt von 420 EUR eingestellt. Im März 2020 führte der Reitstallbesitzer das Pferd auf einen Paddock, wo eine scharfkantige alte Eisenbadewanne als Tränke aufgestellt war. Das Pferd verletzte sich daran aus ungeklärter Ursache schwer. Die Klägerin konnte das Pferd bis Ende Juli 2020 nicht reiten. Im Zeitraum März bis Juli bezahlte sie die vereinbarte Einstellgebühr (420 EUR x 5) sowie 180 EUR für Kraftfutter.

In Ihrer Klage begehrte sie die Zahlung von Schadenersatz; konkret für Behandlungskosten 1.551 EUR, für „frustrierte“ Einstellkosten iHv 2.100 EUR, für Futterkosten 180 EUR, für pauschale Unkosten 90 EUR und für den Wertverlust des Pferdes 10.000 EUR. Darüber hinaus stellte sie ein auf die Haftung der Beklagten für zukünftige Schäden gerichtetes Feststellungsbegehren.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht sprach 8.921 EUR sowie die Feststellung der Haftung für zukünftige Schäden zu und wies 5.000 EUR ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten dahin Folge, dass es das Feststellungsbegehren abwies. Die Revision der Beklagten war nach Ansicht des OGH zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und auch berechtigt.

Im vorliegenden Fall war maßgeblich, dass das Pferd seine Nutzbarkeit als Reitpferd nicht dauerhaft verloren hatte, sondern bloß temporär nicht geritten werden konnte. Im Hinblick auf den Ersatz der Einstell- und Futterkosten führte der OGH aus, dass die Klägerin nicht einerseits wegen der Beschädigung der Sache (des Pferdes) deren Wertminderung ersetzt verlangen und daneben (zusätzlich) die fehlende Gebrauchsmöglichkeit in Anschlag bringen könne, da sonst der Verlust der Nutzungsmöglichkeit doppelt berücksichtigt werden würde.

Dass keine Möglichkeit bestand, während der Genesung das Pferd zu reiten, ist ein Aspekt, der bereits bei der Bestimmung des Wertverlustes des Pferdes berücksichtigt werden muss. Damit ist aber (auch) der temporäre Nutzungsentgang durch den Zuspruch der Wertminderung mitabgegolten. Da der Klägerin der Wertverlust des Pferdes ersetzt wird, wäre es ihr freigestanden, das verletzte Pferd zu verkaufen und mit dem Erlös und der Entschädigung für den Wertverlust ein gleichwertiges unverletztes und somit reitbares Pferd zu erwerben. In diesem Fall wäre die behauptete Frustration der Kosten für Einstellung und Futter ausgeblieben.

Verliert ein Pferd unfallbedingt die Gebrauchsmöglichkeit als Reitpferd, so steht dem Tierhalter ein Anspruch auf Ersatz der Heilbehandlungskosten sowie der verbliebenen Wertminderung zu, er kann aber nicht zusätzlich den Ersatz von Einstell- und Futterkosten verlangen.

Der OGH gab der Revision des Beklagten daher Folge und wies das Begehren auf Ersatz der frustrierten Einstell- und Futterkosten ab.

 

 

 

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