OGH-Entscheidung vom 22.1.2015, 2 Ob 222/14g

Sachverhalt:

Die Klägerin forderte Schadenersatz von einer deutschen Tierklinik für die Folgen einer fehlerhaften tierärztlichen Behandlung ihres Pferdes. Das Pferd musste in Folge der Behandlung eingeschläfert werden. Das Pferd sei als Zuchtstute und Reitpferd hochdekoriert gewesen.

Die Klage wurde beim Landesgericht Wels eingebracht. Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts stützte die Klägerin auf Art 5 Nr 3 EuGVVO. Der Schaden, nämlich der Tod der Stute, sei im Sprengel des angerufenen Gerichts eingetreten. Auch wenn das dem Schaden zugrunde liegende ursächliche Geschehen in der deutschen Tierklinik eingetreten sei, könne die Klägerin die Beklagten wegen der unerlaubten Handlung auch vor dem Gericht des Orts verklagen, an dem der Schaden eingetreten sei.

Entscheidung:

Das Erstgericht erließ aufgrund der nicht erstatteten Klagebeantwortung ein Versäumungsurteil. Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung wegen Nichtigkeit Folge und hob das Versäumungsurteil auf.

Der sich dagegen richtende Rekurs der Klägerin war als Vollrekurs nach § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ohne die Beschränkungen des § 528 ZPO zulässig, zumal sich das Berufungsgericht mit dem zur Klagezurückweisung führenden Nichtigkeitsgrund erstmals auseinandergesetzt hat. Der Rekurs wurde vom aber als nicht berechtigt angesehen. Aus der Begründung:

Nach Art 5 Nr 3 EuGVVO (inzwischen: Art 7 Nr 2 EuGVVO neu) kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden. Zuständig ist dabei das Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht.

Von dieser Bestimmung sind nur Klagen erfasst, mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird und die nicht an einen Vertrag anknüpfen. Art 5 Nr 3 EuGVVO kommt im vorliegenden Fall aber schon deshalb nicht zur Anwendung, weil der für diese Norm maßgebliche Ort nicht in Österreich liegt, was bereits die internationale Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts in Wels zur Folge hat.

Der EuGH hat bereits die Auffassung vertreten, dass „der Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“ im Sinne einer autonomen Auslegung des Art 5 Nr 3 EuGVVO nach Wahl des Klägers sowohl den Erfolgsort oder Schadenseintrittsort (= Ort, an dem der Schaden eingetreten ist), als auch den Handlungsort (= Ort des dem Schaden zugrunde liegenden ursächlichen Geschehens) umfasst. Fallen beide Orte auseinander (Distanzdelikt), kann der Kläger zwischen dem Handlungsort und dem Erfolgsort als Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit wählen. Die Klägerin knüpft hier an den Erfolgsort an und stützt sich in ihrem Rechtsmittel darauf, dass die von ihr geltend gemachten Schäden Fernwirkungsschäden seien, die in Österreich eingetreten und von Art 5 Nr 3 EuGVVO umfasst seien.

EuGH und OGH haben jedoch Art 5 Nr 3 EuGVVO beide bisher einschränkend ausgelegt. Diese einschränkende Auslegung des Erfolgsorts soll die Gefahr einer Annäherung an einen Klägergerichtsstand verhindern. Der Erfolgsort kann demnach nur so verstanden werden, dass er den Ort bezeichnet, an dem das haftungsauslösende Ereignis den unmittelbar Betroffenen direkt geschädigt hat. Er ist an dem Ort verwirklicht, an dem die schädigenden Auswirkungen des haftungsauslösenden Ereignisses zu Lasten des Betroffenen eintreten. Die Wendung „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“ ist somit nicht weit dahin auszulegen, dass sie „jeden Ort erfasst, an dem die schädlichen Folgen eines Umstands spürbar werden können, der bereits einen Schaden verursacht hat, der tatsächlich an einem anderen Ort entstanden ist.“ Nicht in Betracht zu ziehen ist nach dieser Rechtsprechung daher der Ort, an dem sich ein bloßer Folgeschaden zusätzlich zu einem Erstschaden verwirklicht hat.

Der OGH bestätigte insofern die Entscheidung des Berufungsgerichts. Nach den Behauptungen der Klägerin ist davon auszugehen, dass ihr Pferd durch eine unsachgemäße Behandlung in Deutschland infiziert wurde, die Schädigung somit sich zuerst dort ausgewirkt hat. Der Erfolgsort ist daher nicht in Österreich zu lokalisieren, weil der Klägerin der Schaden durch den Verlust (bzw die Minderung) des Zeitwerts und auch wegen des frustrierten Aufwands bereits in Deutschland entstanden ist. Dort trat nämlich die Verminderung ihres Vermögens ein.