OGH-Entscheidung vom 20.1.2015, 4 Ob 11/15v

Sachverhalt:

Im vorliegenden Fall bot der Beklagte seine Dienstleistungen als Pferde-Physiotherapeut an. Er verfügt über keine ärztliche Ausbildung und ist auch nicht als Tierarzt eingetragen.

Für den Bereich der Pferde-Physiotherapie liegt keine gesetzliche Regelung vor. Das Berufsbild der Pferde-Physiotherapie geht auf die Verbandstätigkeit der österreichischen Gesellschaft für Pferde-Physiotherapie (ÖGPPT) zurück . Die ÖGPPT vermittelt eine entsprechende Ausbildung über die Akademie für Pferde-Physiotherapie, die von einem Tierarzt geführt wird. Der Beklagte hat seine Ausbildung an dieser Akademie absolviert.

Der Beklagte untersucht Pferde auf ihre jeweilige Bewegungseinschränkung sowie auf ihre jeweiligen Bewegungsabläufe, wobei er ausschließlich mit Pferden arbeitet, die er für gesund hält oder die von einem Tierarzt bereits untersucht wurden. Er ist mit einem Pferdetierarzt in Kontakt und arbeitet mit einer Diplomtierärztin ständig zusammen. Der Beklagte bewirbt seine Tätigkeit „als veterinär medizinisch geprüfter Physiotherapeuten“ im Internet. Dort weist er darauf hin, dass der ÖGPPT-geprüfte Pferde-Physiotherapeut nicht als Ersatz oder Konkurrenz zum Tierarzt auftrete und geprüfte Pferde-Physiotherapeuten nur nach Anweisung und ständiger Aufsicht des Tierarztes als fachkundige Hilfesteller am kranken und/oder verletzten Tier arbeiten. In der Rubrik „Leistungen“ finden sich Angaben zu einem „Vorsorgecheck“, wonach sich der physiotherapeutische Zustand eines Pferdes beurteilen lasse. Weiters wird über verschiedene von ihm angebotene physikalische Therapien und deren Wirkungen und eine posttraumatische und -operative Betreuung informiert.

Die Österreichische Tierärztekammer klagte schließlich und beantragte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, wonach dem Beklagten verboten werden solle, tierärztliche Tätigkeiten wie die Untersuchung und Behandlung von Tieren, zB durch die Ankündigung von Vorsorgechecks, von physikalischen Therapien, von posttraumatischer und postoperativer Betreuung, oder durch sinngemäße gleiche Aussagen, anzukündigen und/oder auszuführen, wenn dies nicht im Einzelfall nach den genauen Anordnungen und unter der ständigen Aufsicht und Anleitung des beauftragenden Tierarztes erfolgt.

Der Beklagte greife in den in § 1 TierärzteG normierten Tierärztevorbehalt ein.

Entscheidung:

Das Erstgericht erließ die EV; das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung. Auch der OGH hielt die Entscheidung für vertretbar:

Bereits in einer früheren Entscheidung hat der OGH ua zu §§ 12 und 24 TierärzteG festgehalten, dass Behandlungen am Tier vom hochqualifiziert ausgebildeten Tierarzt selbst und persönlich vorgenommen werden müssten, wobei ihm auch Vorbeugemaßnahmen vorzubehalten seien. Auch der Begriff der Therapie falle unter Kranken- und Heilbehandlung mit dem Ziel der Wiederherstellung der Gesundheit, der Linderung der Beschwerden und der Verhinderung von Rückfällen. Ein Pferde-Physiotherapeut möge Hilfestellung bei der Gesundheit des Pferdes leisten, eine (zulässige nichttierärztliche) Hilfeleistung iSd § 24 Abs 2 TierärzteG sei dies aber nicht mehr. Eine Hilfestellung iSd § 24 Abs 2 TierärzteG müsse sich auf untergeordnete Tätigkeiten beschränken, die den Tierarzt bei seiner von ihm selbst vorzunehmenden Behandlung („bloß anlässlich“) unterstützen. Die von der ÖGPPT angebotene Ausbildung zum Pferde-Physiotherapeuten verstoße gegen das Ausbildungsvorbehaltsgesetz, weil Tätigkeiten gelehrt würden, die in ihrer Ausübung dem Tierarzt vorbehalten seien.

Aufgrund des bescheinigten Sachverhalts war nicht davon auszugehen, dass die angebotenen Tätigkeiten „keinerlei medizinisches Fachwissen“ erfordern, zumal sich der Beklagte selbst als veterinär medizinisch geprüfter Physiotherapeuten bezeichnet und das Vorliegen von Krankheiten eigenständig beurteilt. Auch der Standpunkt des Beklagten, dass er keine Tätigkeit im Rahmen der Schulmedizin ausübe, geht fehl, weil der Begriff der „medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse“ nicht mit dem der Schulmedizin gleichzusetzen ist. Davon abgesehen wird ohnedies  im Rahmen des Diplomstudiums der Veterinärmedizin im Bereich der Pferdemedizin auch das Fach Physiotherapie gelehrt. Die Tätigkeit als Pferde-Physiotherapeut ist auch nicht mit dem einfach handhabbaren und automationsunterstützten Messen von Körperfunktionen oder mit einer rein pseudomedizinischen Tätigkeit zu vergleichen. Das frühzeitige Erkennen von Schmerzen zur Vorbeugung von Krankheiten, die Durchführung von Vorsorgeuntersuchungen und Therapien (Behandlungen) und die selbständige Entscheidung, ob eine Krankheit vorliegt, erfordern vielmehr das durch ein (Veterinär-)Medizinstudium vermittelte Wissen.

Insofern bestätigte auch der OGH die Entscheidungen der Vorinstanzen.