OGH-Entscheidung vom 12.5.2021, 6 Ob 79/21t

 

Sachverhalt:

Die Klägerin ist Präsidentin eines Pferdesportverbandes. Der Beklagte ist ein Verein und Medieninhaber der zugehörigen Website, auf der im März 2019 zwei Beiträge veröffentlicht wurden, denen – zusammengefasst – der Vorwurf zu entnehmen war, dass die Klägerin in unzulässiger Weise einen reitsportlichen Wettbewerb manipuliert habe.

Hintergrund dieser Behauptung war einen Schenkungsvertrag samt Nebenvereinbarung mit einem Veranstalter. Diesem Vertrag zufolge erfolgten die Schenkungen unter der Auflage, dass der Veranstalter zu den Dressurturnieren eine bestimmte Anzahl international erfolgreiche Reiter/innen und Richter/innen, beides über Vorschlag einer bestimmten Person, sollte dieser nicht verfügbar sein, über Vorschlag eines von der Spenderin namhaft gemachten Dritten nach den international vorgesehenen Einladungsregeln einlädt und entsprechende Preisgelder dotiert. Der Abschluss von Sponsorverträgen bedurfte der Genehmigung der Klägerin. Ausdrücklich war weiters vereinbart, dass der Veranstalter und ihm zuzurechnende oder nahestehende Dritte keine Werbe-, Sponsoring- oder sonstige Verträge mit einer bestimmten Familie und bestimmten – im Einzelnen näher angeführten – Gesellschaften abschließt.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten Unterlassung und Widerruf.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht gab der Klage statt. Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren teilweise ab, da für die Äußerung, die Klägerin habe in unzulässiger Weise einen reitsportlichen Wettbewerb manipuliert, ein ausreichendes Tatsachensubstrat vorgelegen habe. Die Tochter der Klägerin und eine der genannten ausgeschlossenen Familie nahestehende Reiterin würden in einem sportlichen Konkurrenzverhältnis zueinander stehen. Daraus könne zulässigerweise der Schluss gezogen werden, die Klägerin habe damit in unzulässiger Weise einen reitsportlichen Wettbewerb manipuliert. Der OGH befand die Revision der Klägerin für zulässig und berechtigt.

Für die Ermittlung des Sinngehalts einer Äußerung ist stets der Gesamteindruck maßgeblich. Dieser Gesamteindruck entscheidet auch, ob eine (wertende) Meinungsäußerung oder eine Tatsachenmitteilung vorliegt. Der Vorwurf, die Klägerin habe einen Reitsportbewerb manipuliert, gehe über das Aufzeigen möglicher Interessenkonflikte hinaus. Dabei handelt es sich um eine Tatsachenmitteilung.

Werturteile sind bloß dann vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt, wenn sie auf ein im Kern wahres Tatsachensubstrat zurückgeführt werden können. Ein Werturteil ist somit nur dann zulässig, wenn es auf einer ausreichenden faktischen Grundlage beruht.

Die Klägerin habe ausdrücklich die Leitung und Organisation der Turniere einer bestimmten Person übertragen und sich lediglich für den Fall, dass dieser nicht zur Verfügung stehen sollte, die Nominierung eines anderen Organisators vorbehalten. Die Zusatzvereinbarungen begrenzen ausdrücklich Sponsorverträge udgl, sehen hingegen keinerlei Mitspracherecht hinsichtlich der einzuladenden Reiter oder Reiterinnen vor. Dem Beklagten ist angesichts dieses Sachverhalts der Beweis der Richtigkeit oder das Fehlen der Vorwerfbarkeit der unrichtigen Verbreitung nicht gelungen.

Daher stellte der OGH das klagsstattgebende Urteil des Erstgerichts wieder her.

 

 

Link zum Entscheidungstext

 

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