EuGH-Entscheidung vom 16.1.2014, Rechtssache C‑45/13:

Sachverhalt / Ausgangsverfahren:

Die Pantherwerke AG aus Deutschland produziert und vertreib Fahrräder. Herr K. aus Salzburg kaufte im November 2007 von einer Gesellschaft mit Sitz in Österreich ein von der Pantherwerke AG hergestelltes Fahrrad. Im Juli 2009 kam Herr K. bei einer Fahrt mit diesem Fahrrad zu Sturz, wobei er verletzt wurde. Vor dem Landesgericht Salzburg begehrte Herr K., gestützt auf den Titel der Produkthaftung, von der Pantherwerke AG die Zahlung von EUR 21.200,00 sowie die Feststellung der Haftung dieser Gesellschaft für künftige Schäden aus dem Unfall. Sein Sturz mit dem Fahrrad sei darauf zurückzuführen, dass sich die Gabelenden von der Radgabel gelöst hätten. Die Pantherwerke AG hafte als Herstellerin des Produkts für diesen Produktionsmangel.  Zur Zuständigkeit des LG Salzburg führte Herr K. aus, dass der Ort des den Schaden verursachenden Ereignisses liege in Österreich, weil das Fahrrad dort in dem Sinne in Verkehr gebracht worden sei, dass es dort dem Endnutzer in Form eines kommerziellen Vertriebs zur Verfügung gestellt worden sei. Die Pantherwerke AG bestreitet die internationale Zuständigkeit der österreichischen Gerichte. Der Ort des den Schaden verursachenden Ereignisses befinde sich in Deutschland. Zum einen habe der Herstellungsvorgang in Deutschland stattgefunden, zum anderen sei mit der Versendung des Produkts vom Sitz dieser Gesellschaft das Produkt in Deutschland in Verkehr gebracht worden.

Erst- und Rekursgericht in Österreich verneinten ihre internationale Zuständigkeit. Der dann damit befasste OGH beschloss das Verfahren auszusetzen und dem EuGH den Fall zur Vorabentscheidung vorzulegen und den EuGH zu fragen, wie der „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht“, in Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 (EuGVVO) bei der Produkthaftung auszulegen ist.

  • Als Ort des Herstellersitzes,
  • als Ort des Inverkehrsbringens des Produkts oder
  • als Ort des Erwerbs des Produkts durch den Benutzer?

 

Entscheidung:

Der EuGH verwies hier auf eine frühere Feststellung, wonach der Ort des ursächlichen Geschehens im Fall der Produkthaftung der Ort ist, an dem sich das Ereignis verwirklicht hat, das zu dem Schaden an dem Produkt selbst geführt hat. Grundsätzlich tritt dieser Umstand an dem Ort ein, an dem das betreffende Produkt hergestellt wurde.

Da die räumliche Nähe zu dem Ort, an dem sich das Ereignis verwirklicht hat, das zu dem Schaden an dem Produkt selbst geführt hat, insbesondere aufgrund der Möglichkeit, dort die Beweise zum Nachweis der in Rede stehenden Fehlerhaftigkeit zu erheben, eine sachgerechte Gestaltung des Prozesses und mithin eine geordnete Rechtspflege erleichtert, steht die Zuweisung der Zuständigkeit an das Gericht, in dessen Bezirk dieser Ort liegt, im Einklang mit dem Sinn und Zweck der in Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 (EuGVVO) vorgesehenen besonderen Zuständigkeit, dass nämlich zwischen der Streitigkeit und dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, eine besonders enge Verknüpfung besteht.

Eine Zuweisung der Zuständigkeit an das Gericht des Ortes, an dem das in Rede stehende Produkt hergestellt wurde, entspricht darüber hinaus dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit der Zuständigkeitsvorschriften, da sowohl der beklagte Hersteller als auch der klagende Geschädigte vernünftigerweise vorhersehen können, dass dieses Gericht am besten in der Lage sein wird, über einen Rechtsstreit zu entscheiden, der u. a. die Feststellung einer Fehlerhaftigkeit dieses Produkts umfasst.

Dem Argument des Klägers, dass neben dem Interesse einer geordneten Rechtspflege auch dem Interesse der geschädigten Person Rechnung zu tragen sei, indem ihr die Klageerhebung vor einem Gericht des Mitgliedstaats ermöglicht werde, in dem sie wohne, konnte nicht gefolgt werden. Mit Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 werde gerade nicht bezweckt, der schwächeren Partei einen verstärkten Schutz zu gewährleisten, überdies würde die vom Kläger vertretene Auslegung, wonach der Ort des ursächlichen Geschehens der Ort sein soll, an dem das betreffende Produkt an den Endverbraucher oder den Weiterverkäufer übergeben wurde, auch nicht sicherstellen, dass dieser Verbraucher in jedem Fall die Gerichte seines Wohnsitzes anrufen könnte, da dieser Ort anderswo und selbst in einem anderen Land liegen kann.

Schlussendlich wurde die Vorlagefrage dahingehend beantwortet, dass in dem Fall, dass die Haftung eines Herstellers für ein fehlerhaftes Produkt geltend gemacht wird, der Ort des den Schaden verursachenden Ereignisses der Ort ist, an dem das betreffende Produkt hergestellt wurde.