OGH-Entscheidung vom 27.7.2021, 4 Ob 56/21w

 

Sachverhalt:

Eine Frau klagte auf Ehescheidung aus dem Alleinverschulden Ihres Ehemannes. Dieser habe eine außereheliche Beziehung mit einer jüngeren Frau; überdies fand die Klägerin unter dem Bett des Ehemannes zahlreiche Fotos nackter und teilweise sehr junger Mädchen (pornographische Darstellungen). Die Klägerin sprach den Beklagten nicht auf die Fotos an, sondern erstattete Anzeige. Der Beklagte wurde daraufhin wegen § 207a Abs 3 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt.

Die Scheidungsklage wurde Ende 2019 eingereicht, der Besitz von pornographischen Darstellungen jedoch erst im Jänner 2020 geltend gemacht.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht erachtete die Klage gemäß § 57 Abs 1 EheG – wonach das Recht auf Scheidung wegen Verschuldens erlischt, wenn der Ehegatte nicht binnen 6 Monaten ab Kenntnis des Scheidungsgrundes die Klage erhebt – als verfristet. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der OGH befand die Revision der Klägerin zur Klärung der Rechtslage zwar für zulässig (weil zur Frage, ob strafrechtliche Dauerdelikte „automatisch“ ein fortgesetztes ehewidriges Verhalten begründen, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliegt), aber nicht berechtigt.

Ehewidriges Verhalten ergibt sich aus einer schweren Eheverfehlung oder ehrlosem oder unsittlichem Verhalten des Ehepartners (§ 49 Abs 1 EheG). Dieses Verhalten muss sich nicht notwendigerweise (direkt) gegen den anderen Ehegatten richten; vielmehr handelt es sich dabei um verwerfliches Verhalten, das dem anderen indirekt eine Fortführung der Ehe unerträglich macht. Ein solches Verhalten liegt beim Besitz von kinderpornographischem Material vor.

Das Besitzen kinderpornographischen Materials ist als strafrechtliches Dauerdelikt aufzufassen. Fortgesetztes ehewidriges Verhalten iSd § 49 Abs 1 EheG ist als Einheit aufzufassen, sodass in der Frage des Fristablaufs auf die letzte Handlung abzustellen ist. Die Frist des § 57 Abs 1 EheG beginnt daher erst mit Kenntnisnahme der letzten Handlung.

Der Umstand, dass es sich bei § 207a Abs 3 StGB hinsichtlich des Besitzes von pornographischen Darstellungen um ein strafrechtliches Dauerdelikt handelt, lässt nicht den Schluss zu, dass es sich dabei „automatisch“ um eine fortgesetzte Eheverfehlung handelt, die als Einheit aufzufassen ist und bis zum Ende des strafbaren Verhaltens andauert: Die strafrechtliche Qualifikation solchen Verhaltens als Dauerdelikt drückt vielmehr aus, dass nicht die Herbeiführung eines Erfolgs bzw ein einmaliges Verhalten strafbar sein soll, sondern das Unrecht in der Aufrechterhaltung dieses Zustands liegt. Für die eherechtliche Beurteilung einer Eheverfehlung als fortgesetzt kann aber nicht allein auf die strafrechtlich relevante zeitliche Komponente abgestellt werden.

Die Frist zur Geltendmachung des Scheidungsgrundes beträgt 6 Monate ab dessen Kenntnis; dh im konkreten Fall 6 Monate ab Ende 2018, womit die Frist dementsprechend Mitte 2019 endete. Die Geltendmachung dieses Scheidungsgrundes im Schriftsatz vom Jänner 2020 lag daher deutlich nach Ende der Frist des § 57 Abs 1 EheG. Die Klage wurde daher zu Recht abgewiesen.

 

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