OGH-Entscheidung vom 4.11.2020, 3 Ob 95/20x

 

Sachverhalt:

Die Beklagte interessierte sich privat für Projekte des Klägers, in welche eine Investition nur mit Bitcoins möglich war. Der Kläger war bei einem diesbezüglich vereinbarten Treffen bei der Beklagten in Deutschland zwar nicht persönlich anwesend, jedoch nahm ein Bekannter das Handy des Klägers zu dem Termin mit. Da der mitgebrachte Bitcoinautomat nicht funktionierte, nahm der Bekannte mit dem Kläger telefonisch Kontakt auf und fragte, ob er der Beklagten von seiner Wallet am Handy Bitcoins für die Investitionen leihen könne. Diese sollten in etwa einem Monat auf seine Wallet am Handy zurückerstattet werden. Die Überweisung der Bitcoins von der Wallet des Klägers erfolgte schließlich direkt in die einzelnen Projekte. All dies passierte in der Wohnung der Beklagten in Deutschland.

Mangels Rückerstattung brachte der Kläger schließlich bei seinem in Österreich gelegenen Wohnsitzgericht eine Klage auf Rückübertragung der Bitcoins gegen die in Deutschland wohnhafte Beklagte ein. Die Beklagte bestritt und wendete die internationale und örtliche Unzuständigkeit des Erstgerichts ein.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht wies die Klage mangels internationaler Zuständigkeit zurück. Erfüllungsort sei der Ort der Schuldnerin. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge. Der OGH befand den Revisionsrekurs des Klägers zwar für zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Mangels Vorliegens eines ausschließlichen Gerichtsstands war zunächst die Anwendbarkeit des Verbrauchergerichtsstands nach Art 17 EuGVVO zu prüfen, weil es sich bei diesem um eine lex specialis handelt, die den anderen Gerichtsständen vorgeht:

Nach den Sachverhaltsfeststellungen interessierte sich die Beklagte nur privat für die Projekte. Sie ist daher Verbraucherin, weil sie mit dem Kläger einen Vertrag schloss, der einem privaten Zweck diente, also nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit. Die Investition wurde schließlich in Anwesenheit eines Bevollmächtigten der Beklagten in ihrer Wohnung in Deutschland durch Überweisung von vom Kläger zur Verfügung gestellten Bitcoins getätigt. Dass der Kläger für die Finanzierung der von der Beklagten getätigten Anlagen durch Zurverfügungstellung der für den Erwerb erforderlichen Bitcoins kein gesondertes Entgelt vereinbarte, war unter diesen Umständen ohne Bedeutung: Die Finanzierung ist vielmehr Teil des Gesamtkonzepts des Klägers, das darin besteht, potentielle Geschäftspartner in Deutschland aufzusuchen und zum Anlageerwerb zu bewegen.

Demnach hat der Kläger als Vertragspartner der Beklagten in dem Mitgliedsstaat, in dessen Hoheitsgebiet die Beklagte als Verbraucherin ihren Wohnsitz hat (hier: Deutschland) eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausgeübt (Art 17 Abs 1 lit c erster Fall EuGVVO). Dies hat die Anwendung des Art 18 Abs 2 EuGVVO zur Folge, wonach die Klage des anderen Vertragspartners gegen den Verbraucher nur vor den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden kann, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat. Angesichts des Wohnsitzes der Beklagten in Deutschland ist Österreich für den vorliegenden Rechtsstreit schon aus diesem Grund international nicht zuständig.