OGH-Entscheidung vom 21.2.2020, 4 Ob 191/19w

 

Sachverhalt:

Jack Unterweger war ein rechtskräftig verurteilter Mörder, der in Haft als Schriftsteller tätig wurde. Ebenso führte er ein Prozesstagebuch. Jack Unterweger räumte seinem damaligen Rechtsanwalt (und nunmehrigen Kläger) „sämtliche ihm derzeit zur Verfügung stehenden Verwertungsrechte“ ein. Die Rechteeinräumung solle als „Einräumung des Werknutzungsrechtes an sämtlichen Werken zu verstehen“ sein, „einschließlich jener, die während der Haft entstanden sind“. Weiters erteilte Unterweger die „Zustimmung zur Verwertung seiner Lebensgeschichte“.  Die entsprechenden Vereinbarungen wurden am 3.6.1992 sowie am 4.3.1993 unterzeichnet.

Die Beklagte (ebenfalls Rechtsanwältin) wurde 1994 von Jack Unterweger bevollmächtigt. In der Vollmacht erklärte er alle „in einer psychischen Ausnahmesituation herausgelockten Rechte als ungültig und nichtig“ und die Zession von Rechten an seinen Werken und Bildern an den Kläger als nichtig. Er sprach aus, dass zeitgleich alle Rechte auf die Beklagte übergehen. Die Beklagte ist Autorin/Herausgeberin des 2019 erschienenen Buchs „Ich habe wie eine Ratte gelebt! Das Prozess-Tagebuch von Jack Unterweger“, das die Aufzeichnungen sowie auch Tagebucheinträge von Jack Unterweger zum Inhalt hat. Die Beklagte veröffentlichte bereits im Jahr 2001 ein Buch, das Tagebuchaufzeichnungen aus dem Jahr 1990 enthielt.

Der Kläger klagte u.a. auf Unterlassung und beantragte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung.


Entscheidung:

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung. Das Rekursgericht wies das Sicherungsbegehren hingegen ab. Der OGH befand den Revisionsrekurs des Klägers für zulässig und teilweise berechtigt. Aus der Begründung:

Der Kläger macht geltend, Unterweger habe ihm ua die Rechte an der Verwertung seiner Lebensgeschichte übertragen. Der Kläger war der Ansicht, dass unerheblich sei, zu welchem Zeitpunkt er diese Texte verfasst habe. Der OGH führte hierzu aus, dass sich aus den §§ 26, 33 ff UrhG der allgemeine Grundsatz ableiten lässt, dass das Ausmaß der Befugnisse, die der Werknutzungsberechtigte durch den Werknutzungsvertrag erwirbt, im Zweifel nicht weiter auszulegen ist, als es für den praktischen Zweck der ins Auge gefassten Werknutzung erforderlich erscheint. Der OGH kam dementsprechend zu der Ansicht, dass von der Vereinbarung keine künftigen Werke umfasst werden sollten. Die Formulierung lege vielmehr nahe, dass die Vereinbarung nur auf die bis dahin geschaffenen Werke abstellt.

Über künftige Werke wurde keine Verfügung vorgenommen, daher war in weiterer Folge die Frage zu klären, bis zu welchem Stichtag der Werkentstehung dem Kläger Werknutzungsrechte eingeräumt wurden und ob die Beklagte dagegen verstoßen hat.

Der OGH sah daher alle vor dem 3.6.1992 geschaffenen Werke als vom Werknutzungsrecht des Klägers umfasst an.

Ein exklusives Recht an der Lebensgeschichte Unterwegers konnte der Kläger hingegen nicht erwerben, denn das tatsächlich gelebte Leben eines Menschen – vorbehaltlich des Eingriffs in Persönlichkeitsrechte – darf auch ohne dessen Zustimmung beschrieben, dramatisiert oder verfilmt werden.

Da bereits das im Jahr 2001 von der Beklagten veröffentlichte Buch Tagebuchaufzeichnungen aus dem Jahr 1990 enthielt, gelang dem Kläger im Hinblick darauf die Bescheinigung der Verwendung eines Werks durch die Beklagte, das vor dem 3.6.1992 geschaffen wurde.

Der OGH sah den Sicherungsantrag daher durch die unberechtigte Verwendung der Tagebuchnotiz aus dem Jahr 1990 als berechtigt an, da es sich um Werke handelte, die vor dem 3.6.1992 geschaffen wurden. Hinsichtlich des 2019 erschienenen „Prozesstagebuchs“ gelang dem Kläger diese Bescheinigung hingegen nicht.