EuGH-Urteil vom 5.9.2019, Rechtssache C‑172/18

 

Sachverhalt:

Ein britischer Hersteller von Audiogeräten brachte vor dem Intellectual Property and Enterprise Court (Gericht für geistiges Eigentum, Vereinigtes Königreich) eine Klage wegen Verletzung einer Unionsmarke durch ein spanisches Konkurrenzunternehmen ein.

Das beklagte Unternehmen erhob die Einrede der Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts. Das Gericht stellte fest, dass es für diese Verletzungsklage insoweit nicht zuständig sei, als sie auf die fragliche Unionsmarke gestützt sei.

Der Court of Appeal England & Wales beschloss, das Verfahren auszusetzen und die Frage der Zuständigkeit dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen.

 

Entscheidung:

Eingangs hielt der EuGH fest, dass eine Verletzungsklage betreffend eine Unionsmarke wie im Ausgangsverfahrens unter die in der Verordnung Nr. 207/2009 (UnionsmarkenVO a.F.) enthaltenen Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit fällt. Demnach kann der Kläger seine Klage entweder bei den Gerichten des Mitgliedstaats erheben, in dem der Beklagte seinen (Wohn)Sitz hat, oder auch bei den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem eine Verletzungshandlung begangen worden ist oder droht. Das letztere Gericht ist jedoch nur für die Handlungen zuständig, die in dem Mitgliedstaat begangen worden sind, in dem dieses Gericht seinen Sitz hat.

Als Zwischenergebnis hielt der EuGH daher fest, dass der Kläger den Umfang des örtlichen Zuständigkeitsbereichs des angerufenen Gerichts danach bestimmt, ob er sich dafür entscheidet, die Verletzungsklage bei dem Unionsmarkengericht des (Wohn)Sitzes des Beklagten oder bei dem Gericht des Hoheitsgebiets zu erheben, in dem die Verletzungshandlung begangen worden ist oder droht. Wird die Verletzungsklage beim Unionsmarkengericht des (Wohn)Sitzes des Beklagten eingebracht, betrifft sie nämlich potenziell die im gesamten Unionsgebiet begangenen Verletzungshandlungen, während sie, wenn im Mitgliedsstaat der Verletzungshandlung eingebracht wird, auf die in einem einzigen Mitgliedstaat begangenen oder drohenden Verletzungshandlungen beschränkt ist.

Indem der Unionsgesetzgeber diesen alternativen Gerichtsstand vorgesehen und die örtliche Zuständigkeit abgegrenzt hat, gestattet er dem Unionsmarkeninhaber die Erhebung gezielter Klagen, die jeweils die im Hoheitsgebiet eines einzigen Mitgliedstaats begangenen Verletzungshandlungen betreffen. Diese Klagen haben nicht denselben Gegenstand und unterliegen daher nicht den Vorschriften über die Rechtshängigkeit, da die Klagen des Klägers unterschiedliche Hoheitsgebiete betreffen. Mehrere Verletzungsklagen zwischen denselben Parteien wegen der Verwendung desselben Zeichens sind daher möglich.

Unter „Verletzungshandlung“ sind im vorliegenden Fall Handlungen zu verstehen, die in der Werbung und in Verkaufsangeboten unter einem (mit der streitgegenständlichen Marke) identischen Zeichen bestehen. Diese Handlungen sind als in dem Hoheitsgebiet „begangen“ anzusehen, in dem sie in dem Gebiet zu einer Werbung und zu einem Verkaufsangebot geworden sind, in dem der geschäftliche Inhalt den Verbrauchern und Händlern, an die er gerichtet war, tatsächlich zugänglich gemacht worden ist. Es soll nämlich verhindert werden, dass Rechtsverletzer sich der Verfolgung entziehen können, indem sie sich darauf berufen, dass Werbung und Verkaufsangebote außerhalb der EU ins Internet gestellt wurden. Oder auch um Rechtsverletzern die Möglichkeit zu nehmen, den alternativen Gerichtsstand auszuschließen, indem Hoheitsgebiet der Einstellung ins Internet und das ihrer Niederlassung zusammenfallen.

Zusammenfassend kam der EuGH daher zu dem Ergebnis, dass der Inhaber einer Unionsmarke eine Verletzungsklage vor einem Unionsmarkengericht des Mitgliedstaats erheben kann, in dem sich die Verbraucher oder Händler befinden, an die sich diese Werbung oder Verkaufsangebote richten, obwohl der Dritte die Entscheidungen und Maßnahmen im Hinblick auf diese elektronische Anzeige in einem anderen Mitgliedstaat getroffen hat.