OGH-Entscheidung vom 18.10.2017, 7 Ob 80/17s

Sachverhalt:

Auf der Website der Beklagten können von registrierten Nutzern Mountainbiketouren hochgeladen und veröffentlicht werden. Diese Wegbeschreibungen können von anderen Nutzern heruntergeladen werden. Einsicht und Download sind auch über eine Smartphone-App möglich. Die von Dritten auf das Tourenportal geladenen Mountainbiketouren können von der Beklagten sowohl geändert als auch gelöscht werden. In den AGB findet sich folgende Anmerkung in Kleindruck: „Die Autoren weisen besonders darauf hin, dass sämtliche Touren auf manchen Teilen einem Fahrverbot unterliegen können. Auf diesen Teilen ist das Rad bzw. Mountainbike zu schieben. Jegliche Haftung […] ist ausgeschlossen.“

Eine der abrufbaren Touren führte über etliche Kilometer über die Waldgrundstücke der Kläger. Sie wird als „leichte Rundtour gegen Uhrzeigersinn auf Forststraßen, 5 Min. Schieben“ beschrieben. Beim ersten dieser Waldgrundstücke befindet sich jeweils eine Absperrung mit einem Fahrverbotsschild und dem zusätzlichen, ausdrücklichen Hinweis „Radfahren verboten“.

Die Kläger brachten ihre Klage auf Grundlage ihres Eigentumsrechts sowie des § 16 ECG ein. Auf den Liegenschaften der Kläger sei das Fahren mit Mountainbikes und sonstigen Fahrzeugen ausdrücklich untersagt. Infolge der Veröffentlichung sei vermehrte Präsenz von Mountainbikern festgestellt worden. Die Beklagte sei erfolglos zur Entfernung der Mountainbiketour von deren Homepage aufgefordert worden. Durch die Veröffentlichung werde in unzulässiger Weise in das Eigentumsrecht der Kläger eingegriffen bzw ein derartiger Eingriff durch dritte Personen provoziert, unterstützt und verursacht.

Entscheidung:

Das Erstgericht wies die Klage ab. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der OGH hingegen befand die Revision der Kläger für zulässig und auch berechtigt. Aus der Begründung:

Nach § 16 Abs 1 ECG ist ein Diensteanbieter, der von einem Nutzer eingegebene Informationen speichert, […] für die im Auftrag eines Nutzers gespeicherten Informationen nicht verantwortlich, sofern er

1. von einer rechtswidrigen Tätigkeit oder Information keine tatsächliche Kenntnis hat und sich in Bezug auf Schadenersatzansprüche auch keiner Tatsachen oder Umstände  bewusst ist, aus denen eine rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird, oder,

2. sobald er diese Kenntnis oder dieses Bewusstsein erhalten hat, unverzüglich tätig wird, um die Information zu entfernen oder  den Zugang zu ihr zu sperren.

Die Regelung bildet ein Haftungsprivileg für den Host-Provider. Bei Einhaltung der genannten Voraussetzungen wird er für alle Rechtsgebiete haftungsfrei. Nach § 18 ECG und der Rechtsprechung des EuGH haben neutral bleibende Diensteanbieter keine allgemeine Überwachungspflicht hinsichtlich der von ihnen gespeicherten fremden Inhalte. Nach § 19 Abs 1 ECG lassen aber die §§ 13 bis 18 ECG gesetzliche Vorschriften, nach denen ein Gericht oder eine Behörde dem Diensteanbieter die Unterlassung, Beseitigung oder Verhinderung einer Rechtsverletzung auftragen kann, unberührt. Der Unterlassungsanspruch der Kläger kann sich daher nur aus § 523 (iVm § 354) ABGB ergeben.

Die Eigentumsfreiheitsklage kann gegen jeden unberechtigten Eingriff in das Eigentumsrecht erhoben werden, im allgemeinen aber nicht wegen Handlungen Dritter. Eine Ausnahme davon besteht, wenn der Beklagte den Eingriff veranlasst hat, den unerlaubten Zustand aufrecht hält oder sonst von ihm Abhilfe zu erwarten ist.

Die Beklagte ist hier zwar Host-Providerin iSd ECG, weil sie dadurch, dass (anonyme) Nutzer in ihrem Mountainbike-Onlineportal Mountainbikerouten hochladen können, fremde Inhalte speichert. Die Kläger machen jedoch Ansprüche auf Unterlassung und Beseitigung iSd § 19 ECG geltend, sodass das Haftungsprivileg des Host-Providers nach § 16 ECG nicht zum Tragen kommt.

Die Pflicht zum Tätigwerden des Betreibers des Onlineportals kann dadurch entstehen, dass er von einer Rechtsverletzung Kenntnis erlangt und nicht Abhilfe schafft. Die Beklagte wurde jedoch auch nach schriftlicher Aufforderung durch die Kläger nicht tätig. Spätestens ab diesem Zeitpunkt wusste die Beklagte daher, dass die auf ihrer Plattform veröffentlichte Tour als Mountainbikestrecke nicht mehr durchgehend berechtigt befahren werden darf. Zumindest ab diesem Zeitpunkt wurde die Beklagte daher durch die Aufrechterhaltung der Veröffentlichung als Förderin des Rechtsbruchs zur mittelbaren Störerin, gegen die im Sinn der zitierten Judikatur das Beseitigungs- und Unterlassungsbegehren ebenfalls gerichtet werden kann.

Der OGH gab dem Klagebegehren deshalb in Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen statt.