OGH-Entscheidung vom 15.12.2015, 4 Ob 210/15h

Der OGH hatte kürzlich einen Fall zu entscheiden, in dem ein unbeteiligter Dritter Strafanzeige gegen einen Mitbewerber seines Auftraggebers erstattete. Der Mitbewerber klagte (erfolglos) gegen den Dritten. Aus der Begründung:

In einer Strafanzeige enthaltene, objektiv unrichtige Beschuldigungen sind, sofern sie den Rahmen eines sachdienlichen Vorbringens nicht überschreiten, nur dann rechtswidrig, wenn sie vom Anzeiger wider besseres Wissen erhoben wurden. Dies gilt nicht nur für Strafanzeigen, sondern für alle an die jeweils zuständigen Behörden gerichteten, vertraulichen Mitteilungen. Nach § 1330 Abs 2 ABGB haftet der Anzeigende daher nur, wenn er von der Unrichtigkeit wusste, wobei den Kläger die Beweislast hiefür trifft. Eine besondere Sorgfaltspflicht des Anzeigers in der Richtung, die vorliegenden Verdachtsgründe auf ihre Stichhältigkeit zu prüfen und das Für und Wider selbst abzuwägen, besteht hingegen nicht. Dies würde dem öffentlichen Interesse, den Behörden Kenntnis von strafbaren Handlungen zu verschaffen, widersprechen. Es genügt daher grundsätzlich das Vorliegen nicht offenkundig bereits widerlegter Verdachtsgründe für die Annahme, dass eine Strafanzeige nicht wider besseres Wissen und somit rechtmäßig erstattet wurde. Dies gilt auch nach § 7 Abs 2 UWG für herabsetzende Tatsachenbehauptungen, soweit diese vertraulich der zuständigen Behörde gegenüber gemacht wurden.

Bringt ein (gutgläubiger) Dritter eine Strafanzeige ein, kann das allerdings Konsequenzen für den „Auftraggeber“ haben: Der Wissenszurechnung durch Wissensvertreter liegt der allgemeine Gedanke zugrunde, dass der Einsatz von Gehilfen, also die „Rollenspaltung“, nicht zum Nachteil Dritter gehen darf und ansonsten der Einsatz eines Gehilfen eine Verschlechterung der vom Gesetzgeber im Sinne eines Interessenausgleichs vorgesehenen Rechtsposition Dritter mit sich brächte, weshalb der Geschäftsherr so zu behandeln ist, als wäre er selbst tätig geworden. Dem Geschäftsherrn wird auch das Wissen derjenigen Personen zugerechnet, die er mit der Kenntnisnahme rechtserheblicher Tatsachen betraut hat.

Im vorliegenden Fall hatte das Erstgericht festgestellt, dass der Beklagte auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben seiner Auftraggeberin vertraute. Von einer gegen die guten Sitten verstoßenden missbräuchlichen Rechtsausübung kann nur gesprochen werden, wenn demjenigen, der sein Recht ausübt, jedes andere Interesse abgesprochen werden muss als eben das Interesse, dem anderen Schaden zuzufügen. Besteht ein begründetes Interesse des Rechtsausübenden, einen seinem Rechte entsprechenden Zustand herzustellen, wird die Rechtsausübung nicht schon dadurch zu einer missbräuchlichen, dass der sein Recht Ausübende ua auch die Absicht verfolgte, mit der Rechtsausübung dem anderen Schaden zuzufügen. Dabei geben im Allgemeinen selbst relativ geringe Zweifel am Rechtsmissbrauch zu Gunsten des Rechtsausübenden den Ausschlag, weil diesem grundsätzlich zugestanden werden muss, dass er innerhalb der Schranken des ihm eingeräumten Rechts handelt. Es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an.

Dass der Beklagte das Motiv seiner Auftraggeberin für die Strafanzeige (Verdrängung der Klägerinnen vom Markt) kannte und er sich damit abfand, begründet für sich genommen noch nicht den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs. Das Element der missbräuchlichen Ausübung ist damit zu verneinen, weil niemand Anspruch darauf hat, mit einem (dem Anschein nach) gesetzwidrigen Geschäftsmodell nicht vom Markt verdrängt zu werden.