EuGH-Urteil vom 5.3.2015, Rechtssache C‑463/12
Ausgangsverfahren:
Die dänische Copydan ist eine Einrichtung zur Verwaltung von Urheberrechten, die die Inhaber solcher Rechte an Ton- und Videoproduktionen vertritt.
Nokia vermarktet Mobiltelefone in Dänemark. Alle Mobiltelefone haben einen internen Speicher. Darüber hinaus enthalten bestimmte Modelle außer der SIM-Karte noch eine andere, zusätzliche Speicherkarte. Auf einem Mobiltelefon, das über eine Speicherkarte verfügt, kann der Nutzer Daten speichern; so auch Dateien mit musikalischen Werken, Filmen und anderen geschützten Werken. Diese Dateien können im Internet heruntergeladen worden sein oder von den DVDs, CDs, MP3-Geräten oder Computern der Nutzer stammen.
Copydan war der Auffassung, dass Speicherkarten für Mobiltelefone, abgesehen von solchen mit besonders niedriger Speicherkapazität, unter die im Urheberrechtsgesetz vorgesehene Regelung über den gerechten Ausgleich für die Ausnahme vom Vervielfältigungsrecht fallen sollten. Sie erhob daher Klage gegen Nokia auf Zahlung einer Privatkopievergütung.
Das dänische Østre Landsret setzte das Verfahren aus und legte den Fall dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.
Entscheidung:
Der EuGH hielt zunächst fest, dass es grundsätzlich zulässig ist, Leermedien wie Speicherkarten mit einer Abgabe zu belegen, nicht aber die Lieferung von Komponenten mit eingebautem Speicher (zB MP3-Player).
Auf die Höhe der Abgabe könnte allerdings die Frage Einfluss haben, ob es sich bei der Anfertigung von Kopien zum privaten Gebrauch um eine primäre oder sekundäre Funktion handelt. Soweit der den Rechtsinhabern entstandene Nachteil als geringfügig angesehen würde, wäre es möglich, dass das Bereitstellen dieser Funktion keine Verpflichtung zur Zahlung des gerechten Ausgleichs entstehen lässt.
Die Richtlinie 2001/29 steht jedoch einer nationalen Regelung entgegen, die eine Abgabe für Vervielfältigungen auf der Grundlage von unrechtmäßigen Quellen vorsieht. Die Abgabe darf daher keinen Ausgleich für Raubkopien darstellen.
Der Einsatz technischer Maßnahmen im Sinne von Art 6 der Richtlinie 2001/29 bei den zur Vervielfältigung geschützter Werke verwendeten Vorrichtungen kann keinen Einfluss auf den gerechten Ausgleich haben; allenfalls auf die konkrete Höhe der Abgabe.
Geräte und Leermedien, die an Gewerbetreibende abgegeben werden, dürfen (auch bei indirekten Vertriebsstrukturen) nicht mit einer Abgabe belegt werden. Hersteller oder Importeure, die Speicherkarten von Mobiltelefonen mit dem Wissen an Gewerbetreibende verkaufen, dass sie von diesen weiterverkauft werden sollen, können zur Zahlung der Vergütung zur Finanzierung des gerechten Ausgleichs für die Ausnahme vom Vervielfältigungsrecht in Bezug auf Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch verpflichtet werden, sofern
- die Einführung einer solchen Regelung durch praktische Schwierigkeiten gerechtfertigt ist;
- die Schuldner der Vergütung von deren Zahlung befreit werden, wenn sie nachweisen, dass sie die Speicherkarten von Mobiltelefonen an andere als natürliche Personen zu eindeutig anderen Zwecken als zur Vervielfältigung zum privaten Gebrauch geliefert haben, wobei diese Befreiung nicht auf die Lieferung allein an Gewerbetreibende, die bei der Einrichtung, die mit der Verwaltung der Vergütungen beauftragt ist, angemeldet sind, beschränkt werden darf;
- diese Regelung einen Anspruch auf Erstattung der Privatkopievergütung vorsieht, der durchsetzbar ist und die Erstattung der gezahlten Vergütung nicht übermäßig erschwert, wobei vorgesehen sein kann, dass die Erstattung allein an den Endabnehmer einer solchen Speicherkarte erfolgt, der bei der Einrichtung einen entsprechenden Antrag stellen muss.