OGH-Entscheidung vom 15.12.2014, 6 Ob 6/14x

Zwei Verdächtige in einem von der Korruptionsstaatsanwaltschaft Wien geführten Ermittlungsverfahren klagten die Betreiber einer private Internetplattform, auf der der Ermittlungsakt veröffentlicht wurde, auf Unterlassung und beantragten die Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

Der OGH gab dem Begehren Folge und stützte sich in seiner Begründung auf das Datenschutzgesetz. Bei den veröffentlichten Ermittlungsakten handelt es sich um strafrechtsbezogene Daten im Sinn des § 8 Abs 4 DSG 2000, die zwar vom Gesetzgeber nicht als sensible Daten eingestuft werden, dennoch aber einen besonderen Schutz genießen. Daten (auch nur) über den Verdacht der Begehung von Straftaten stellen nach dieser Bestimmung eine eigene Datenkategorie dar, deren Verwendung grundsätzlich schutzwürdige Interessen des Betroffenen verletzt. Die Regelungstechnik des § 8 Abs 4 DSG 2000 entspricht jener bei Verwendung von sensiblen Daten gemäß § 9 DSG 2000, sodass eine Verwendung strafrechtsbezogener Daten nur dann zulässig ist, wenn einer der taxativ aufgezählten Verwendungsfälle vorliegt.

Nach § 8 Abs 4 DSG 2000 verstößt eine Verwendung strafrechtsbezogener Daten nur dann nicht gegen schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen, wenn

  • eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung oder Verpflichtung zur Verwendung solcher Daten besteht (Z 1),
  • die Verwendung derartiger Daten für Auftraggeber des öffentlichen Bereichs eine wesentliche Voraussetzung zur Wahrnehmung einer ihnen gesetzlich übertragenen Aufgabe ist (Z 2),
  • sich sonst die Zulässigkeit der Verwendung dieser Daten aus gesetzlichen Sorgfaltspflichten oder sonstigen, die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen überwiegenden berechtigten Interessen des Auftraggebers ergibt und die Art und Weise, in der die Datenanwendung vorgenommen wird, die Wahrung der Interessen der Betroffenen nach diesem Bundesgesetz gewährleistet (Z 3) oder
  • die Datenweitergabe zum Zweck der Erstattung einer Anzeige an eine zur Verfolgung der angezeigten strafbaren Handlungen (Unterlassungen) zuständige Behörde erfolgt (Z 4).

Darüber hinaus ist eine Verwendung strafrechtsbezogener Daten gemäß § 8 Abs 4 iVm Abs 2 DSG 2000 zulässig, wenn sie zulässigerweise veröffentlicht wurden oder indirekt personenbezogen sind.

Im vorliegenden Fall wurde ein überwiegendes Interesse des Auftraggebers weder behauptet noch liegt sonst eine der Ausnahmen im Sinn des § 8 Abs 4 DSG 2000 vor, weshalb sämtliche Ermittlungsergebnisse einem Verwendungsverbot durch die Beklagten unterliegen. Ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit wiederum vermag – anders als bei nicht-sensiblen Daten im Sinn des § 8 Abs 1 DSG 2000 – eine Verwendung strafrechtsbezogener Daten nicht zu rechtfertigen.

Da die Beklagten auf eine nicht näher bekannte Weise in den Besitz einer DVD mit Aktenbestandteilen kam, war die Frage, ob ein Papierakt (hier konkret der Ermittlungsakt der WKStA Wien) den gesetzlichen Anforderungen einer Datei im Sinn des Datenschutzgesetzes 2000 entspricht, nicht zu prüfen.