EuGH-Entscheidung vom 18. September 2014, Rechtssache C‑205/13

Sachverhalt:

Kindermöbelhersteler Stokke meldete 1998 das äußere Erscheinungsbild des Kinderstuhls „Tripp Trapp“ beim Benelux-Amt für geistiges Eigentum als dreidimensionale Marke an. Die Marke wurde für „Stühle, insbesondere Kinderstühle“ eingetragen und besteht aus der folgenden Form:

tripp trapp

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Hauck GmbH & Co. KG vertreibt und verkauft Kinderartikel, u. a. die beiden von ihr als „Alpha“ und „Beta“ bezeichneten Stühle.

Stokke sah in den Stühlen von Hauck eine Urheberrechtsverletzung sowie eine Verletzung der Formmarke. Stokke klagte Hauck in der Niederlanden und bekam insofern Recht, als es um die Verletzung der urheberrechtlichen Verwertungsrechte ging.

Hauck wiederum reagierte mit einem Antrag auf Ungültigerklärung der Formmarke und hatte damit auch Erfolg.

Hauck legte beim Hoge Raad der Nederlanden Kassationsbeschwerde ein, und Stokke legte im Rahmen dieses Verfahrens Anschlusskassationsbeschwerde ein. Der Hoge Raad der Nederlanden wies die Kassationsbeschwerde zurück, hielt aber für die Anschlusskassationsbeschwerde die Auslegung der Bestimmungen von Art. 3 Abs. 1 Buchst. e der Markenrichtlinie (Richtlinie 89/104/EWG) für erforderlich. Dieser Bestimmung zu Folge dürfen Formmarken nicht ausschließlich aus einer durch die Art der Ware selbst bedingten Form der Ware bestehen (erster Gedankenstrich) bzw aus der Form, die der Ware einen wesentlichen Wert verleiht (dritter Gedankenstrich).

Der Hoge Raad legte dem EuGH schließlich die Fragen zur Vorabentscheidung vor, ob

  • das in dieser Bestimmung vorgesehene Eintragungshindernis (erster Gedankenstrich) nur auf ein Zeichen anwendbar ist, das ausschließlich aus der für die Funktion der Ware unentbehrlichen Form besteht, oder auch auf ein Zeichen, das ausschließlich aus einer Form besteht, die eine oder mehrere wesentliche Gebrauchseigenschaften dieser Ware aufweist, nach denen der Verbraucher möglicherweise auch bei den Waren der Mitbewerber sucht,
  • das in dieser Bestimmung vorgesehene Eintragungshindernis (dritter Gedankenstrich) auf ein Zeichen anwendbar ist, das ausschließlich aus der Form einer Ware mit mehreren Eigenschaften, die ihr in unterschiedlicher Weise einen wesentlichen Wert verleihen können, besteht, und ob bei dieser Beurteilung die Wahrnehmung der Form der Ware durch die angesprochenen Verkehrskreise zu berücksichtigen ist

    sowie ob dieser Bestimmung genannten Eintragungshindernisse zusammen anwendbar sind.

Entscheidung:

Der EuGH kam zu dem Ergebnis, dass Art. 3 Abs. 1 Buchst. e erster Gedankenstrich der Markenrichtlinie dahin auszulegen ist, dass dieses Eintragungshindernis auf ein Zeichen anwendbar ist, das ausschließlich aus der Form einer Ware besteht die eine oder mehrere wesentliche Gebrauchseigenschaften aufweist, die der oder den gattungstypischen Funktion(en) dieser Ware innewohnen, nach denen der Verbraucher möglicherweise auch bei den Waren der Mitbewerber sucht. Überdies ist das Eintragungshindernis des Art. 3 Abs. 1 Buchst. e dritter Gedankenstrich auf ein Zeichen anwendbar, das ausschließlich aus der Form einer Ware mit mehreren Eigenschaften, die ihr in unterschiedlicher Weise jeweils einen wesentlichen Wert verleihen können, besteht. Bei der Feststellung, ob das fragliche Eintragungshindernis anwendbar ist, stellt die Wahrnehmung der Form der Ware durch die angesprochenen Verkehrskreise nur eines der Beurteilungskriterien dar. Die genannten Eintragungshindernisse sind nicht zusammen anwendbar.