OGH-Entscheidung vom 22.12.2020, 4 Ob 205/20f

 

Sachverhalt:

Die Klägerin betreibt das Multipartnerprogramm „Jö-Bonusclub“. Die Mitglieder des Jö-Bonusclubs erhalten eine Jö-Kundenkarte und genießen diverse Vorteile in Form von Rabatt- und Gutscheinaktionen. Die Klägerin ist Markeninhaberin von österreichischen Wortmarken und Wort-Bild-Marken. Diese Marken haben in Österreich ein gewisses Maß an Bekanntheit erlangt.

Die Beklagte, eine deutsche GmbH, betreibt eine Smartphone-App. In dieser App können Nutzer ihre Kundenkarten verschiedener Anbieter speichern und über ihr Smartphone verwenden. Zur Auswahl der Kundenkarten verwendet die Beklagte in der App eine Auflistung der verfügbaren Unternehmen, die in der Regel unter Abbildung ihrer Marke dargestellt werden. Die Beklagte hat auch die Jö-Kundenkarte in ihre App integriert und benutzt in den Kundenkartenlisten daher auch die Wort-Bild-Marken der Klägerin, und zwar ohne deren Zustimmung.

Die Klägerin beantragte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit der der Beklagten verboten werden solle, die Klagsmarken und/oder ähnliche Zeichen in der Werbung für ihre App und/oder innerhalb dieser App als Hinweis für die angebotenen Mobile-Wallet-Dienste zu benutzen. Durch die kennzeichenmäßige Nutzung der Klagsmarken greife die Beklagte in ihre Markenrechte ein.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten, den der OGH zur Klarstellung der Rechtslage für zulässig und auch berechtigt hielt.

Die Beklagte stützte sich vor allem auf die Schutzschranke des § 10 Abs 3 Z 3 MSchG. Nach § 10 Abs 3 Z 3 MSchG gewährt die eingetragene Marke ihrem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu verbieten, die Marke zu Zwecken der Identifizierung von oder zum Verweis auf Waren oder Dienstleistungen (beispielsweise als Zubehör oder Ersatzteil) zu benutzen, sofern dies den anständigen Gepflogenheiten im Gewerbe und Handel entspricht. Der zulässige verweisende Markengebrauch muss auch nicht unbedingt auf das praktisch einzige bzw alternativlose Mittel zur verständlichen und vollständigen Information des Publikums eingeschränkt werden.

Aus der Rechtsprechung des EuGH geht hervor, dass der Inhaber einer Marke der Benutzung eines identischen Zeichens dann nicht widersprechen kann, wenn diese Benutzung keine der Funktionen der Marke beeinträchtigen kann. Bei der Prüfung der „Erforderlichkeit“ des Markengebrauchs im Sinn des § 10 Abs 3 Z 3 MSchG steht somit die Frage nach der Funktionsbeeinträchtigung der Marke im Vordergrund. Zudem sieht das Gesetz eine Schranken-Schranke vor, wonach die Duldungspflicht des Markeninhabers nur für solche Benutzungshandlungen besteht, die den anständigen Gepflogenheiten im Gewerbe und Handel entsprechen. So ist etwa die Benutzung der Marke in einer Weise unlauter, die den Wert der Marke dadurch beeinträchtigt, dass sie deren Unterscheidungskraft oder deren Wertschätzung ungebührlich ausnützt.

10 Abs 3 Z 3 MSchG erlaubt im Allgemeinen somit einen verweisenden Markengebrauch vor allem als erforderliche Bestimmungsangabe, das heißt als Verweis auf eine besondere Zusatzfunktion der eigenen Ware oder Dienstleistung, zB als Zubehör bzw Ersatzteil oder als Service- bzw Zusatzdienstleistung für das gekennzeichnete Produkt des Markeninhabers, sofern keine Funktionsbeeinträchtigung der Marke sowie keine unlautere Geschäftspraktik vorliegt. In einem solchen Fall muss der Markeninhaber hinnehmen, dass der Verwender von der Wertschätzung und Unterscheidungskraft der Marke faktisch profitiert.

Bei einem Ausschluss einer Funktionsbeeinträchtigung der Marke muss die Bereitstellung einer nutzerfreundlichen und modern gestalteten Zusatzleistung ermöglicht werden. Ist die irrtümliche Annahme einer geschäftlichen Verbindung zwischen dem Verwender und dem Markeninhaber ausgeschlossen und dient die Markenverwendung für das Publikum klar ersichtlich nur dazu, dem Nutzer eine leichtere Auswahl unter vielen Markeninhabern zu ermöglichen, so ist eine nutzerfreundliche technische Umsetzung grundsätzlich auch nicht als unlautere Geschäftspraktik zu qualifizieren.

Im Anlassfall wurde nicht der Eindruck einer geschäftlichen Verbindung zwischen den Streitparteien erweckt, weil die Beklagte nicht nur die Jö-Kundenkarte, sondern auf dieselbe Weise auch Kundenkarten anderer Anbieter abbildete. Die Einbindung der Jö-Kundenkarte in die App der Beklagten unter Verwendung der Wort-Bild-Marken der Klägerin zur Auswahl der Jö-Kundenkarte aus einer Vielzahl von anderen Kundenkarten ist ein Verweis auf eine Zusatzdienstleistung der Beklagten und damit eine Bestimmungsangabe im Sinn des § 10 Abs 3 Z 3 MSchG, die in der konkreten Ausgestaltung zulässig ist und keine unlautere Geschäftspraktik begründet.