OGH-Entscheidung vom 24.10.2019, 4 Ob 166/19v (4 Ob 187/19g)

 

Sachverhalt:

Bei den Streitparteien handelt es sich um Unternehmen, die Energielösungen für Business- und Großkunden in Österreich anbieten und zu diesem Zweck Energielieferverträge für Strom und Gas abschließen, denen sie ihre Allgemeinen Lieferbedingungen zugrunde legen.

Der Klägerin wurde bekannt, dass die Beklagte ihre Vertragstexte und auch ihre Allgemeinen Lieferbedingungen nahezu unverändert übernommen hatte. Die Überarbeitung durch die Beklagte bestand im Wesentlichen darin, dass teilweise die Satzstellung verändert wurde und teilweise Synonyme verwendet werden.

Die Klägerin beantragte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung und klagte auf Unterlassung.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Beklagten teilweise Folge und schränkte das Unterlassungsgebot ein, da es lediglich zwei Klauseln (die Preiszonenklausel und die Energieeffizienzklausel) als Sprachwerke qualifizierte und nur in Bezug auf diese Klauseln eine Urheberrechtsverletzung bejahte.

Der OGH gab dem Revisionsrekurs der Klägerin teilweise Folge. Aus der Begründung:

Bezogen auf das Unterlassungsbegehren auf der Grundlage des UrhG kam der OGH zu dem Ergebnis, dass die erforderliche Präzisierung der begangenen Rechtsverletzung im Unterlassungsbegehren fehle. Die Ansicht der Klägerin, dass der Beklagten mit dem Unterlassungsgebot allgemein untersagt werden könne, den Text Allgemeiner Lieferbedingungen, insbesondere solcher für die Lieferung von Energie, zu verwenden, soweit es sich dabei um Sprachwerke handle, kommt diesem Erfordernis nicht nach. Daher konnte das beantragte (umfassende) Unterlassungsgebot auf der Grundlage des UrhG nicht erlassen werden.

Zum Eventualbegehren auf der Grundlage des UWG führte die Klägerin aus, dass sich der Übernehmer eines Arbeitsergebnisses einer schmarotzerischen Ausbeutung fremder Leistungen schuldig mache. Bei ihren Allgemeinen Lieferbedingungen handle es sich um ein derartiges Arbeitsergebnis, das von der Beklagten glatt übernommen worden sei, zumal diese nur geringfügige Umformulierungen vorgenommen habe. Bei der Beurteilung einer lauterkeitsrechtlichen Leistungsübernahme komme es nicht darauf an, ob die Arbeitsergebnisse sonderrechtlich geschützt seien oder nicht.

Der OGH gab der Klägerin diesbezüglich Recht:

Unlauter im Sinn des § 1 Abs 1 Z 1 UWG wegen schmarotzerischer Ausbeutung einer fremden Leistung bzw einer sklavischen Nachahmung oder glatten Leistungsübernahme handelt, wer ohne jede eigene Leistung bzw ohne eigenen ins Gewicht fallenden Schaffensvorgang das auch ungeschützte Arbeitsergebnis eines anderen ganz oder doch in erheblichen Teilen glatt übernimmt, um dem Geschädigten mit dessen eigener Mühe Konkurrenz zu machen. Dies gilt auch für die glatte Übernahme von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wenn diese mit einem gewissen Arbeitsaufwand eigens für die Bedürfnisse des Anwenders erstellt wurden, und wenn sie ohne nennenswerte Änderungen abgeschrieben bzw der Text und die Gestaltung nahezu unverändert übernommen wurden. Dabei ist das mit der Übernahme verbundene Unwerturteil umso größer, je individueller und eigenartiger das Arbeitsergebnis ist.

Die Beklagte hat die Allgemeinen Lieferbedingungen der Klägerin nahezu unverändert übernommen. Die teilweisen und nur geringfügigen Änderungen (zum Teil geänderte Satzstellung und Verwendung von Synonymen) dienten nur der Kosmetik und bewirkten keine nennenswerten Abweichungen. Damit liegt eine schmarotzerische Ausbeutung fremder Leistungen vor, die gegen § 1 Abs 1 Z 1 UWG verstößt.

Der Einwand der Beklagten, dass es am Tatbestandsmerkmal der spürbaren Beeinflussung mangle, weil die „Vertragsformblätter“ nur jenen Kunden übermittelt worden seien, die sich bereits zu einem Vertragswechsel entschieden hätten, überzeugte den OGH nicht. Im hier vorliegenden Fall gehe es nicht um die Energielieferverträge, sondern um die Allgemeinen Lieferbedingungen. Damit Allgemeine Geschäftsbedingungen in den Vertrag einbezogen werden, muss der Vertragspartner vor Vertragsabschluss die Möglichkeit haben, vom Inhalt der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Kenntnis zu nehmen. Aus diesem Grund liegt es auch nahe, dass sich potenzielle Neukunden mit den Allgemeinen Lieferbedingungen beschäftigen, durch branchenorientierte und sachkundig ausgearbeitete Allgemeine Geschäftsbedingungen angezogen werden können und dem zugrunde liegenden Leistungsangebot nähertreten, was zu einer Nachfrageverlagerung zum Nachteil von Mitbewerbern führen kann.

In Stattgebung des Revisionsrekurses der Klägerin erließ der OGH daher die beantragte einstweilige Verfügung im Sinn des Eventualsicherungsbegehrens auf Grundlage des UWG.