OGH-Entscheidung vom 15.6.2016, 4 Ob 4/16s

Sachverhalt:

Die Klägerin ist exklusive Vertriebsgesellschaft für Kosmetikprodukte der Marke „Paul Mitchell“ und Inhaberin einer ausschließlichen Lizenz ua für Österreich an der Gemeinschaftswortmarke PAUL MITCHELL.

Die Beklagte betreibt in Österreich Drogeriemärkte und einen Webshop. Über diesen und in einigen ihrer Filialen bewirbt und verkauft sie Kosmetikprodukte der Marke „Paul Mitchell“.

Testkäufe zeigten, dass bei den gelieferten Shampooflaschen die Chargennummern ganz bzw teilweise fehlten und weiters die ausdrückliche Angabe der Firma und der Adresse einer „verantwortlichen Person“ laut europäischer Kosmetikverordnung fehlte. Angegeben war nämlich nur: „Distributed by: John Paul Mitchell Systems“ samt Adressen in den USA, United Kingdom und Deutschland, wobei die United Kingdom-Adresse unterstrichen war. „Verantwortliche Person“ ist – seit 11. 7. 2013 – die Firma B***** aus Belgien. Weitere Testkäufe ergaben, dass die Beklagte offensichtlich mit unzulässigen Parallelimporten handelte.

Entscheidung:

Das Erstgericht erließ zunächst die beantragte einstweilige Verfügung, womit der Beklagten aufgetragen wurde, es ab sofort zu unterlassen, Kosmetikprodukte der „John Paul Mitchell Systems“, die nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechen, insbesondere weil die verantwortliche Person nicht angegeben wird und/oder weil die Chargennummer nicht angegeben wird, in Österreich zum Verkauf anzubieten […]; außerdem derartige Produkte nach Österreich und/oder Deutschland einzuführen […], wenn solche Produkte nicht von der Markeninhaberin das erste Mal im EWR in den Verkehr gebracht worden sind.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Auf den von der Beklagten verkauften Produkten sei lediglich ein Händler („distributed by“), nicht aber eine „verantwortliche Person“ (responsible person) genannt worden. Damit sei den Anforderungen der KosmetikVO nicht entsprochen worden. Dieser Rechtsbruch erfülle den Tatbestand der sonstigen unlauteren Handlung nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG.

Die Beklagte erhob außerordentlichen Revisionsrekurses, da es ihrer Ansicht nach nicht erforderlich sei, die verantwortliche Person ausdrücklich als „verantwortliche Person“ bzw „responsible person“ zu bezeichnen.

Der OGH hielt das Rechtsmittel für zulässig und berechtigt. Aus der Begründung:

Die Verletzung der Kennzeichnungsvorschriften der KosmetikVO als Marktverhaltensregeln zum Schutz der menschlichen Gesundheit ist geeignet, den Rechtsbruchtatbestand des UWG zu begründen. Die verantwortliche Person hat die Einhaltung der in der KosmetikVO aufgeführten, einschlägigen Verpflichtungen zu garantieren. Verantwortliche Person ist grundsätzlich der in der Gemeinschaft ansässige Hersteller, wenn das kosmetische Mittel in der Gemeinschaft hergestellt und nicht aus- und wieder eingeführt wurde. Ist der Hersteller nicht in der Gemeinschaft ansässig, so muss er mit schriftlichem Mandat eine in der Gemeinschaft ansässige verantwortliche Person benennen, ansonsten steht ihm dies frei. Der Händler ist nur dann verantwortliche Person, wenn er ein kosmetisches Mittel unter seinem eigenen Namen und seiner eigenen Marke in Verkehr bringt oder ein Produkt, das sich bereits in Verkehr befindet, so ändert, dass die Einhaltung der geltenden Anforderungen berührt sein kann.

Nach Art 4 Abs 5 KosmetikVO ist für ein importiertes kosmetisches Mittel jedenfalls der Importeur die verantwortliche Person für das spezifische kosmetische Mittel, das er in Verkehr bringt. Für die Einhaltung der Kennzeichnungsverpflichtung ist grundsätzlich die verantwortliche Person zuständig. Den Händler trifft nur eine eingeschränkte Überwachungspflicht.  Er hat zu überprüfen, ob die Kennzeichnungsinformationen vorliegen. Nur wenn der Händler Grund zu der Annahme hat, dass ein kosmetisches Mittel nicht den Anforderungen dieser Verordnung genügt, darf er das kosmetische Mittel so lange nicht auf dem Markt bereitstellen, bis es mit den geltenden Anforderungen in Übereinstimmung gebracht wurde.

Unstrittig ist, dass der auf der Verpackung angegebene Unternehmer nicht ausdrücklich als „verantwortliche Person“, sondern als Händler („distributed by“) bezeichnet wurde. Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, bereits dieser Umstand hätte der Beklagten Grund zur Annahme geben müssen, dass den Kennzeichnungsvorschriften nicht entsprochen worden sei. Eine Verpflichtung, die Angaben zur verantwortlichen Person mit dem ausdrücklichen Hinweis „Verantwortliche Person“ zu kennzeichnen, ist der KosmetikVO jedoch nicht zu entnehmen. Dieser sieht ausdrücklich nur die Angabe „des Namens oder der Firma und der Anschrift der verantwortlichen Person“ vor. Eine Pflicht zur ausdrücklichen Bezeichnung ist jedenfalls im – hier vorliegenden – Fall entbehrlich, da überhaupt nur eine Person auf der Verpackung genannt wird.

Besteht demnach keine Verpflichtung, die verantwortliche Person auf der Verpackung ausdrücklich auch als solche zu bezeichnen, bestand auch kein Anlass für die Beklagte, an der Richtigkeit der Verpackungsangaben zu zweifeln, hat sie doch als Händler grundsätzlich nur zu prüfen, ob die erforderlichen Angaben vorliegen. Die Beklagte konnte davon ausgehen,dass die auf dem Behältnis angegebene Person nicht nur für den Vertrieb zuständig, sondern zugleich auch die verantwortliche Person sei.

Dem diesbezüglichen Unterlassungsanspruch der Klägerin wurde daher abgewiesen.