OGH-Entscheidung vom 28.10.2024, 3 Ob 191/24w
Sachverhalt:
Der Antragsteller ist (Strom-)Netzkunde der Antragsgegnerin. Zwischen den Parteien besteht ein aufrechter Netzzugangsvertrag.
Die Antragsgegnerin wies den Antragsteller schriftlich darauf hin, dass es aufgrund der flächendeckenden Umstellung auf digitale Mess- und Abrechnungssysteme notwendig sei, seinen alten Stromzähler auszutauschen. Da er sich bisher nicht gemeldet habe, möge er innerhalb der nächsten 14 Tage einen Termin für den Zählertausch vereinbaren. Sollte der Antragsteller den Zutritt weiter verwehren, würde die Antragsgegnerin den Strom abstellen. Der Antragsteller antwortete, dass er den Einbau eines den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Geräts wünsche, aber die Antragsgegnerin über ein solches nicht verfüge.
Am selben Tag richtete der Antragsteller einen Antrag auf Durchführung eines Streitschlichtungsverfahrens an die Regulierungskommission der E-Control. Der Antragsteller beantragte außerdem bei Gericht die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, womit der Antragsgegnerin verboten werden solle, eine Stromabschaltung anzudrohen oder umzusetzen, um so den Austausch/Ausbau/Einbau eines Messgerätes zur Stromaufzeichnung zu bewirken.
Entscheidung:
Das Erstgericht wies den Antrag ab. Das Rekursgericht erließ hingegen die beantragte einstweilige Verfügung. Das Rekursgericht sprach aus, dass die einstweilige Verfügung bis zur Beendigung des Streitschlichtungsverfahrens bzw – falls innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Zustellung des Bescheids Klage eingebracht werde – bis zur rechtskräftigen Beendigung des über diese Klage eingeleiteten gerichtlichen Verfahrens gelte. Da der Antragsteller den im Gesetz vorgesehenen Schlichtungsantrag gestellt habe, sei der Rechtsweg für den Provisorialantrag zulässig, weil der zu sichernde Anspruch bloß derzeit noch nicht klagbar sei.
Der OGH bestätigte die Entscheidung des Rekursgerichts. Der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin war zur Klarstellung der Rechtslage zwar zulässig, aber nicht berechtigt.
Das Rekursgericht ging zutreffend davon aus, dass es sich bei der hier zu beurteilenden Streitigkeit um eine solche iSd 22 Abs 2 Z 1 ElWOG 2010 handelt und kein Fall des § 22 Abs 1. Entscheidend ist nämlich, dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller den Netzzugang nicht von vornherein verweigert (hat), sondern ihm bei aufrechtem Netzzugangsvertrag („nur“) mit dessen Entzug droht.
§ 22 ElWOG 2010 lautet wie folgt:
§22 (1) In Streitigkeiten zwischen Netzzugangsberechtigten und Netzbetreibern über die Rechtmäßigkeit der Verweigerung des Netzzuganges entscheidet – sofern keine Zuständigkeit des Kartellgerichtes gemäß Kartellgesetz 2005 vorliegt – die Regulierungsbehörde.
(2) In allen übrigen Streitigkeiten zwischen
1. Netzzugangsberechtigten und Netzbetreibern über die aus diesem Verhältnis entspringenden Verpflichtungen
[…] entscheiden die Gerichte.
Es wurde bereits judiziert, dass der Umstand, dass der zu sichernde Anspruch zwar derzeit wegen eines zunächst zwingend durchzuführenden außergerichtlichen Schlichtungsverfahrens (noch) nicht klagbar ist, aber nach Durchführung dieses Schlichtungsverfahrens vor Gericht durchgesetzt werden kann, der Bejahung eines Sicherungsbedürfnisses nicht entgegensteht.
Die Antragsgegnerin machte geltend, dass der Antragsteller keinen Anspruch darauf habe, das Messgerät auszuwählen; vielmehr dürfe die Antragsgegnerin die in ihrem Eigentum stehenden und bei ihren Kunden verwendeten Messgeräte allein auswählen.
Dem hielt der OGH entgegen, dass Gegenstand des Provisorialverfahrens nicht ist, ob die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller aufgrund ihrer Allgemeinen Bedingungen für den Zugang zu ihrem Verteilernetz (kurz: AB-VN ) einen Anspruch darauf hat, einen Smart Meter einzubauen. Vielmehr gehe es darum, ob die Antragsgegnerin berechtigt ist, diesen Anspruch durch (Drohung mit) Trennung vom Netz oder Stromabschaltung durchzusetzen.
Entscheidend war, ob die Weigerung des Antragstellers, der Antragsgegnerin den für den geplanten Zählertausch unabdingbaren Zutritt zu seinem Objekt zu gewähren, eine Vertragsverletzung iSd AB-VN darstellt, die die Aussetzung der Vertragsabwicklung rechtfertigt.
Punkt XXVI. Z 3 AB-VN nennt als Zuwiderhandlung, die den Netzbetreiber nur nach vorheriger zweimaliger Mahnung zur physischen Trennung der Netzverbindung berechtigt, exemplarisch die Nichterfüllung fälliger Zahlungsverpflichtungen des Netzkunden. Hintergrund dieser Regelung ist zweifellos, dass der Netzbetreiber nicht verpflichtet sein soll, einem nicht zahlenden Netzkunden weiterhin Strom zu liefern. Eine bloße Weigerung, der Antragsgegnerin Zugang zu einem Objekt zu gewähren, damit diese die Stromzähler austauschen kann, ist dem qualitativ nicht gleichzuhalten. Die Weigerung des Antragstellers rechtfertigt es daher nicht, dass die Antragsgegnerin, statt gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, ihr Recht auf Austausch des Zählers faktisch im Wege der Selbsthilfe – durch Androhung der Stromabschaltung – durchzusetzen versucht.
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