OGH-Entscheidung vom 27.11.2013, 2 Ob 156/13z
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Gegen eine GmbH mit Sitz in Deutschland wurde beim Bezirksgericht für Handelssachen Wien eine Mahnklage eingebracht. Gegen den daraufhin erlassenen Europäischen Zahlungsbefehl erhob die beklagte GmbH (ohne anwaltliche Vertretung) einen rechtzeitigen Einspruch . Das Bezirksgericht trug der Beklagten daraufhin auf, einen in Österreich wohnhaften Zustellbevollmächtigten namhaft zu machen. In diesem Beschluss verwies das Gericht auf die in § 98 ZPO für den Fall der Nichtbeachtung dieses Auftrags geknüpften Rechtsfolgen. Demnach würden weitere Zustellungen durch Übersendung des jeweiligen Schriftstücks ohne Zustellnachweis erfolgen, bis ein geeigneter Zustellbevollmächtigter dem Gericht namhaft gemacht oder dem Gericht eine Abgabestelle im Inland bekannt gegeben werde. Das Schriftstück gelte 14 Tage nach Aufgabe zur Post als zugestellt.
Die nunmehr durch einen österreichischen Rechtsanwalt vertretene Beklagte erhob gegen diesen Beschluss Rekurs. Die Beklagte brachte darin vor, dass sie sich ua wegen des anzuwendenden deutschen Rechts von einem in Deutschland ansässigen Rechtsanwalt vertreten lassen wolle. Wegen der anzuwendenden Europäischen Zustellverordnung (EuZVO) sei § 98 ZPO wegen unverhältnismäßiger und damit ungerechtfertigter, mittelbarer Diskriminierung unionsrechtswidrig.

Das Rekursgericht wies den Rekurs mit der Begründung zurück, die nunmehr ohnehin durch einen österreichischen Rechtsanwalt vertretene Beklagte sei durch den Auftrag des Erstgerichts nicht beschwert.

Der OGH hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf und sprach aus, dass die EuZVO im vorliegenden Fall anwendbar ist. § 98 ZPO widerspricht wegen der darin angeordneten Zustellung ohne Zustellnachweis und der Fiktion der Zustellung Art 14 EuZVO. Diese Bestimmung schreibt nämlich für Zustellungen nach der EuZVO ein Einschreiben mit Rückschein oder einen gleichwertigen Beleg vor. § 98 ZPO ist daher unionsrechtswidrig. Wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts vor nationalem Recht ist weder die Rechtsmittelbeschränkung des § 87 Abs 2 ZPO noch die vom Rekursgericht herangezogene österreichische Rechtsprechung zur fehlenden Beschwer anzuwenden.