OGH-Entscheidung vom 22.10.2013, 4 Ob 166/13k
Sachverhalt:
In einem Kosmetiksalon wurde „kosmetisches Zahnbleaching“ angeboten. Hierfür wurde ein Zahngel verwendet, das kein Wasserstoffperoxyd enthält. Bei der Anwendung wird das Gel in eine Mundschiene gefüllt, die sich der Kunde selbst in den Mund setzt. Dann wird das Zahnaufhellungsgel von außen mit einer LED-Lampe aktiviert.
Auf der Website des Kosmetiksalons wurden die Vorteile und der Ablauf der Behandlung dargestellt. Es handle sich dabei um eine kosmetische Anwendung, die keine zahnärztliche Tätigkeit sei. Das Bleichen der Zähne sei eine Behandlung, bei der die Zähne aufgehellt und Verfärbungen mittels photochemischer Reaktion von Zahnschmelz und Zahnbein entfernt werden können. Bei schwangeren oder stillenden Frauen möglich sei keine Behandlung möglich. Ebenfalls nicht bei Zahnfleischerkrankungen, nach chirurgischen Eingriffen im Mundbereich, unbehandelter Karies, Asthma- und Atemwegskrankheiten, Anfallserkrankungen wie Epilepsie, Herzleiden oder Kunstherz, rheumatisches Fieber, Schwangerschaft oder einer Entfernung der Zahnspange in den letzten 2 Monaten. Laut der deutschen Bundeszahnärztekammer (Stellungnahme vom September 2012) seien Bleachmittel mit einer Wasserstoffperoxydkonzentration unter 0,1 % frei verkäuflich und können ohne Mitwirkung eines Zahnarztes angewandt werden.
Die Österreichische Zahnärztekammer klagte auf Unterlassung. Bleaching sei nach § 4 ZÄG den Zahnärzten vorbehalten. Ein Nichtzahnarzt könne den Grund für die Verfärbung von Zähnen nicht beurteilen, sodass möglicherweise wichtige Vorbehandlungen (Kariesentfernung, Wurzelkanalbehandlung) unterblieben. Weiters bestehe das Risiko, die Zähne durch das für die Zahnaufhellung verwendete Bleichmittel zu schädigen. Dem Kosmetiksalon solle es daher untersagt werden, zahnärztliche Tätigkeiten wie Bleaching, sei es auch mit dem Zusatz „kosmetisches Zahnbleaching“ oder mit sinngemäß gleichen Aussagen, anzukündigen und/oder auszuführen.
Entscheidung:
Während das Erstgericht das Unterlassungsbegehren abwies, wurde die beantragte einstweilige Verfügung in zweiter Instanz erlassen. Der OGH wies den dagegen erhobenen Revisionsrekurs der Beklagten ab.
Ein Verstoß gegen eine nicht dem Lauterkeitsrecht im engeren Sinn zuzuordnende generelle Norm ist als unlautere Geschäftspraktik oder als sonstige unlautere Handlung iSv § 1 Abs 1 Z 1 UWG zu werten, wenn die Norm nicht auch mit guten Gründen in einer Weise ausgelegt werden kann, dass sie dem beanstandeten Verhalten nicht entgegensteht. Der Unterlassungsanspruch setzt ferner voraus, dass das beanstandete Verhalten geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil von rechtstreuen Mitbewerbern nicht bloß unerheblich zu beeinflussen.
Maßgebend für die Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung sind der eindeutige Wortlaut und Zweck der angeblich übertretenen Norm sowie gegebenenfalls die Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts und eine beständige Praxis von Verwaltungsbehörden. Auf dieser Grundlage hatten die Vorinstanzen zu prüfen, ob das beanstandete Verhalten der Beklagten auf einer unvertretbaren Auslegung von § 4 Abs 3 Z 4a ZÄG beruhte. Danach gehört zum zahnärztlichen Vorbehaltsbereich insbesondere „die Vornahme von kosmetischen und ästhetischen Eingriffen an den Zähnen, sofern diese eine zahnärztliche Untersuchung und Diagnose erfordern“.
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Website der Beklagten, dass bei der Behandlung eine „photochemische Reaktion“ stattfindet und die Behandlung ua bei Erkrankungen des Zahnfleisches und bei unbehandeltem Karies nicht durchgeführt werden darf.
Damit ist der Tatbestand von § 4 Abs 3 Z 4a ZÄG erfüllt: Zum einen geht eine photochemische Reaktion (also eine durch Licht initiierte chemische Reaktion) über die von der Beklagten behauptete Anwendung eines Mundpflegemittels hinaus und ist daher jedenfalls als „Eingriff“ iSv § 4 Abs 3 Z 4a ZÄG zu werten. Dass das von der Beklagten verwendete Mittel – anders als Wasserstoffperoxyd – als solches unbedenklich sein mag, kann daran nichts ändern. Zum anderen ist die Behandlung nach den Angaben der Beklagten ausgeschlossen, wenn bestimmte – und zwar durchaus häufige – Krankheiten im Mundbereich (Zahnfleischerkrankungen, Karies) vorliegen. Daraus ist zwingend abzuleiten, dass auch nach Auffassung der Beklagten vor einer Behandlung abgeklärt werden muss, ob diese Krankheiten vorliegen. Die Behandlung erfordert daher eine vorherige Untersuchung und Diagnose.
Das beanstandete verhalten fällt daher ohne Zweifel unter § 4 Abs 3 Z 4a ZÄG. Das Verhalten der Beklagten ist daher auch unlauter iSv § 1 Abs 1 Z 1 UWG.
Der OGH lies jedoch offen, ob aus § 4 Abs 3 Z 4a ZÄG auch zwingend folgt, dass die Möglichkeit krankheitsbedingter Ursachen für sich allein eine vorherige Untersuchung und Diagnose durch einen Zahnarzt „erforderlich“ macht.