OGH-Entscheidung vom 24.9.2019, 4 Ob 138/19a

 

Sachverhalt:

Beide Streitparteien produzieren und vertreiben Einkaufswagenlöser („Caddy Keys“). Die belgische Beklagte hat in Österreich keine Niederlassung, bot ihre Produkte aber zur Lieferung nach Österreich einer bestimmten Person bzw einem Unternehmen an. Es konnte jedoch nicht festgestellt werden, ob es auch zu Lieferungen kam. Die Website der Beklagten ist auch in deutscher Sprache abrufbar. Es werden eigene Länderversionen der Seite angeboten (zB für Deutschland, Spanien, Italien, Polen, etc), darunter ist aber keine „Österreich-Seite“.

Mit ihrer ua auf Unterlassung gerichteten Klage machte die Klägerin eine Verletzung ihres Gemeinschaftsgeschmacksmusters durch die Beklagte geltend. Die Beklagte wandte die internationale Unzuständigkeit ein.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht wies die Klage wegen internationaler Unzuständigkeit zurück. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin Folge und verwarf die Einrede der internationalen Unzuständigkeit. Ausgehend von dem Angebot der Beklagten, die Eingriffsgegenstände nach Österreich zu liefern, ging das Rekursgericht davon aus, dass der Beklagten ein Eingriff in den Schutzbereich des Gemeinschaftsgeschmacksmusters vorgeworfen werde. Bei einem Versendungskauf vom Ausland ins Inland liege eine Verletzungshandlung im Inland vor. Durch ihr Angebot habe die Beklagte aktiv ihre Bereitschaft bekundet, ihre Produkte nach Österreich zu liefern, wodurch eine Verletzungshandlung drohe.

Der OGH befand den Revisionsrekurs der Beklagten zur Klarstellung der Rechtslage zwar für zulässig, aber nicht berechtigt. Aus der Begründung:

Die Klägerin stützte sich auf die Anwendung des Art 82 Abs 5 GGV (GemeinschaftsgeschmacksmusterVO). Diese Bestimmung ermöglicht eine Klage am Ort der Verletzungshandlung.

Dem hier vorliegenden Fall lag das konkrete Angebot einer Lieferung der von der Beklagten erzeugten Gegenstände nach Österreich zugrunde. Der Beklagten wird daher ein aktives Verhalten vorgeworfen, das unmittelbar in den Schutzbereich der Rechte aus dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster in Österreich eingreift.

Damit ist Grundlage der Klage eine Verletzungshandlung im Sinne des Art 19 Abs 1 GGV. Die Klage richtet sich ua gegen das rechtswidrige Verhalten des Anbietens auf dem inländischen Markt durch die Beklagte selbst. Nach Art 19 GGV kann sich der Rechteinhaber dagegen zur Wehr setzen. Gerade das dem Rechteinhaber mögliche Untersagen einer Einfuhr nach Österreich indiziert, dass bei einem grenzüberschreitenden Angebot die Verletzungshandlung in Österreich begangen wird oder dort droht. Bei einer Lieferung nach Österreich durch die Beklagte bedeutet die Belieferung auf dem österreichischen Teil der Wegstrecke jedenfalls eine Benutzungshandlung der Beklagten im Inland.

Der EuGH hat überdies erst kürzlich klargestellt, dass beim Anbieten von Waren auf einer Website an einen unbestimmten Personenkreis eine Verletzungsklage auch vor den Gerichten jenes Staats erhoben werden kann, in dem sich die Verbraucher oder Händler befinden, an die sich diese Werbung oder Verkaufsangebote richten, obwohl der Werbende die Werbehandlungen in einem anderen Mitgliedstaat getroffen hat.

Die internationale Zuständigkeit österreichischer Gerichte war daher zu bejahen.