OGH-Entscheidung: OGH 12. 12. 2012, 15 Os 42/12h
Sachverhalt: In einem lokalen Massenmedium wurde der Verdacht des – insbesondere im Zusammenhang mit Auftragsvergaben begangenen – Verbrechens der Untreue gegen eine Person gerichtet, nämlich der Vorstandsdirektorin der Krankenanstalten-Betriebsgesellschaft, einer „sehr großen“ Anstalt öffentlichen Rechts.
Entscheidung:
Laut OGH war das Handeln der berichtsgegenständlichen Person von vornherein erhöhter Aufmerksamkeit und Kritik unterworfen. Ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Veröffentlichung von Identifikationsmerkmalen der Antragstellerin habe wegen des Bestehens eines „sonstigen Zusammenhangs mit dem öffentlichen Leben“ vorgelegen. Bei einer Berichterstattung über Fragen von öffentlichem Interesse würde es nur wenig Spielraum für Einschränkungen der politischen Rede oder von Diskussionen über solche Angelegenheiten geben. Darunter fallen regelmäßig zB die Berichterstattung über strafrechtlich relevante Missstände in der staatlichen Verwaltung, mutmaßliche Wirtschaftsskandale und politische Delikte. Bei solchen Sachverhalten mit Öffentlichkeitsbezug bestehe demgemäß auch ein geringerer Identitätsschutz.
Wenn die Offenlegung der Identität einer Person infolge Bejahung überwiegenden Interesses der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung eines einzelnen identifizierenden Merkmals gerechtfertigt ist (hier: der für das Verständnis der Einzelheiten des Falls erforderlichen Bekanntgabe der exponierten beruflichen Stellung), ändert auch eine per se entbehrliche Publikation weiterer Identifikationsmerkmale (hier: Namen und Bild) nichts daran, dass die Bekanntgabe der Identität insgesamt gerechtfertigt war.
Weil durch die inkriminierte Berichterstattung strafrechtlich relevante Missstände bzw Korruptionsvorwürfe im Nahebereich der staatlichen Verwaltung aufgezeigt wurden, stehe im vorliegenden Fall außer Streit, dass der Artikel ein Thema von öffentlichem Interesse zum Gegenstand hatte.
Die Nennung von Identifikationsmerkmalen einer Verdächtigen könne zwar in einem – wie hier – sehr frühen Stadium des Strafverfahrens problematisch sein kann, doch sei im gegebenen Zusammenhang ausschlaggebend, dass die Antragsgegnerin in concreto nicht über die vorliegende Anzeige in sinnvoller Weise hätte berichten können, ohne die Antragstellerin identifizierende Angaben zu machen.