OGH-Entscheidung vom 19.4.2018, 4 Ob 74/18p

Sachverhalt:

Beide Streitparteien sind Medieninhaber jeweils einer Tageszeitung, die miteinander im Wettbewerb stehen.

In der Tageszeitung der Beklagten wurde behauptet, die Tageszeitung der Klägerin beschäftige den „übelsten Kolumnisten-Schuft“, was in der ganzen Branche bekannt sei. Die Klägerin veröffentliche Kolumnen eines Mitarbeiters, die bevorzugt unter starkem Alkoholeinfluss und/oder als „Besoffener“ verfasst würden, und/oder habe eine gegen die Tageszeitung der Beklagten gerichtete Kolumne veröffentlicht, bei deren Verfassen der „Promille-Pegel“ ziemlich hoch gewesen und/oder deren Autor „stockbesoffen“ gewesen sei, und/oder beschäftigte einen Mitarbeiter, der ein Spezialist für dreckige Witze über Frauen und/oder Behinderte und/oder Kranke sei.

Die Klägerin sah darin einen unlauteren Wettbewerbsverstoß und klagte auf Unterlassung.

Entscheidung:

Erst- und Berufungsgericht gaben der Klage statt. Die heftige und exzessive Kritik sei ein unlauterer Wettbewerbsverstoß der Beklagten. Die Beklagte wurde zudem nach § 16 Abs 2 UWG zur Zahlung eines Schadenersatzbetrags von 6.000 EUR verpflichtet.

Die Beklagte erhob dagegen außerordentliche Revision und machte geltend, dass die beanstandeten Aussagen nur die Reaktion auf ehrbeleidigende und kreditschädigende Äußerungen der Klägerin gewesen seien, jedoch nicht unlauter und von Art 10 EMRK gedeckt. Bei medialen Auseinandersetzungen von Zeitungsverlegern mangle es an einer lauterkeitsrechtlich relevanten Wettbewerbshandlung.

Der OGH wies die ao. Revision zurück. Aus der Begründung:

Die (für § 7 UWG noch relevante) Wettbewerbsabsicht kann völlig in den Hintergrund treten oder ganz fehlen, wenn es zwischen zwei Medieninhabern zu weltanschaulichen Auseinandersetzungen kommt und jeder der Beteiligten die öffentliche Meinungsbildung in seinem Sinne zu beeinflussen sucht. Bei Auseinandersetzungen, die keine weltanschaulichen Themen, sondern den Mitbewerbern unmittelbar in seiner gewerblichen Tätigkeit betreffen, trifft das in der Regel nicht zu. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass sich die Beklagte wegen ihrer bloß unsachlichen – auch im Rahmen einer Pressefehde von Art 10 EMRK nicht gedeckten – Beleidigungen nicht auf die aufgezeigte Judikatur zu sogenannten „Pressefehden“ und die Förderung der öffentlichen Meinungsbildung berufen kann, ist keine unvertretbare Beurteilung dieser Frage des Einzelfalls.

„Retorsionskritik“ sei zwar milder zu beurteilen, wenn keine unwahren Tatsachen verbreitet werden und sie sich in einem angemessenen Rahmen hält. Dennoch sind nur sachliche Informationen über das Fehlverhalten eines Mitbewerbers erlaubt. Ein darüber hinaus gehendes Anschwärzen ist unzulässig, zumal ein Hineinzerren persönlicher Verhältnisse des Mitbewerbers in den Wettbewerbskampf dem Sinn des Leistungswettbewerbs widerspricht. Ob eine Wettbewerbshandlung unter dem Gesichtspunkt der Abwehr erforderlich ist, lässt sich nur aufgrund einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls beurteilen.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte auch unter dem Gesichtspunkt der Retorsionskritik nicht zu niveaulosen und beleidigenden Äußerungen und/oder zur Verbreiterung unwahrer Tatsachen berechtigt gewesen sei, wurde daher vom OGH bestätigt.