OGH-Entscheidung vom 22.3.2018, 4 Ob 48/18i

Sachverhalt:

Beide Parteien vertreiben ein Medizinprodukt (PCT-Test) einer Drittherstellerin, mit dem schwere bakterielle Infektionen diagnostiziert werden können. Die PCT-Tests werden nur an professionelle Abnehmer (Krankenhäuser, Ärzte, Labors) abgegeben. Die Beklagte verkauft die PCT-Tests so, wie sie von der Herstellerin geliefert werden, und zwar ohne Gebrauchsanweisung in deutscher Sprache. Der „Beipackzettel“ enthält lediglich einen Hinweis auf die Website der Herstellerin. Die Telefonhotline der Herstellerin ist 24 Stunden täglich erreichbar.

Die Klägerin beantragte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Die Beklagte verstoße gegen § 9 MPG, worin eine Gebrauchsanweisung in deutscher Sprache verlangt wird, andernfalls das Inverkehrbringen der PCT-Tests nach § 6 Z 1 MPG verboten sei. Das Verhalten der Beklagten sei unlauter und auch „spürbar“, weil sie kostengünstiger auf dem Markt agiere und als „Billigschiene“ Marktanteile erkämpfen könne.

Entscheidung:

Die Vorinstanzen wiesen das Sicherungsbegehren ab. Der OGH bestätigte diese Entscheidung. Aus der Begründung:

Grundsätzlich ist ein Verstoß gegen eine nicht dem Lauterkeitsrecht im engeren Sinn zuzuordnende generelle Norm als unlautere Geschäftspraktik oder als sonstige unerlaubte Handlung zu werten, wenn die Norm nicht auch mit guten Gründen in einer Weise ausgelegt werden kann, dass sie dem beanstandeten Verhalten nicht entgegensteht. Maßgebend für die Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung sind der eindeutige Wortlaut und Zweck der angeblich übertretenen Norm sowie gegebenenfalls die einschlägige Rechtsprechung oder die beständige Verwaltungspraxis.

Der Tatbestand des Rechtsbruchs soll verhindern, dass ein einzelner Mitbewerber durch Gesetz oder Vertrag festgelegte Verhaltenspflichten missachtet und sich dadurch einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung im Wettbewerb verschafft. Für die Wettbewerbsrelevanz ist nicht der Zweck oder Regelungsgegenstand der verletzten Norm, sondern die tatsächliche Auswirkung auf den Markt entscheidend. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Auswirkungen nicht bloß unerheblich sein dürfen, sondern die Spürbarkeitsschwelle überschreiten müssen. Der Unterlassungsanspruch setzt ferner voraus, dass das beanstandete Verhalten geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil von rechtstreuen Mitbewerbern nicht bloß unerheblich zu beeinflussen.

Die Frage, ob der Kläger konkrete Sachverhaltselemente zur Darlegung der spürbaren Beeinflussung des Wettbewerbs behaupten muss, kann daher nur davon abhängen, ob bei Verletzung der fraglichen Norm ein ausreichend gravierender Wettbewerbsvorteil geradezu typisch ist. Diese Beurteilung hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab.

Das Rekursgericht ging im Fall der Nichtübersetzung der Gebrauchsanweisung in die deutsche Sprache bei nur an sachkundiges Personal abgegebenen und nicht zur Eigenanwendung bestimmten Medizinprodukten nicht per se von einer spürbaren Beeinflussung des Wettbewerbs aus. Daher verlangte es von der Klägerin konkrete Behauptungen dazu und begnügte sich nicht mit dem pauschalen Hinweis auf kostengünstigere Verhältnisse. Der OGH erblickte darin keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung und führte aus, dass Übersetzungskosten nur einmal anfallen bzw. Druck- bzw Kopierkosten und Papierkosten jedenfalls auf den ersten Blick nicht ins Gewicht fallen.