EuGH-Urteil vom 7.7.2016, Rechtssache C‑494/15

Sachverhalt:

Delta Center ist Mieterin eines Marktplatzes in den Prager Markthallen (Tschechien). Sie vermietet verschiedene Verkaufsflächen an Händler weiter.

Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens (u.a. Tommy Hilfiger, Lacoste, Burberry, etc) widmen sich der Herstellung und dem Vertrieb von Markenerzeugnissen. Nachdem sie festgestellt hatten, dass Fälschungen ihrer Erzeugnisse in diesen Prager Markthallen verkauft wurden, wandten sich an das Stadtgericht Prag.

Das Stadtgericht Prag wies den Antrag ab. Es war der Ansicht, dass keine Verletzung oder Gefährdung der Rechte der Klägerinnen vorliegen, da es für die Käufer offenkundig sei, dass die fraglichen Waren Fälschungen seien und folglich von den Klägerinnen weder hergestellt noch vertrieben würden. Das Obergericht Prag bestätigte die Entscheidung zwar, jedoch mit der Begründung, dass eine extensive Auslegung der Wortfolge „Mittel oder Dienste[, die] von einem Dritten zwecks Verletzung … in Anspruch genommen werden“ in Art. 4 Abs. 3 des Gesetzes Nr. 221/2006 sowie der Wortfolge „Dienste[, die] von einem Dritten zwecks Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums in Anspruch genommen werden“ in Art. 11 der Richtlinie 2004/48 absurde Situationen zur Folge haben könnten. Etwa könnte eine Elektrizitätsleitung oder die Ausstellung einer Gewerbeberechtigung an einen Händler ein die Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums ermöglichendes Mittel darstellen.

Der tschechische OGH wandte sich bei der Auslegung dieser Bestimmungen schließlich an den EuGH.

Entscheidung:

Zunächst hatte der EuGH zu beantworten, ob ein Mieter von Markthallen, der die verschiedenen in diesen Hallen befindlichen Verkaufsflächen an Händler untervermietet, von denen einige ihren Stand zum Verkauf von Fälschungen von Markenerzeugnissen nutzen, unter den Begriff der „Mittelsperson[en] …, deren Dienste von einem Dritten zwecks Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums in Anspruch genommen werden“ fällt.

Der EuGH bejahte diese Frage. Es sei bereits ständige Rechtsprechung, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, sicherzustellen, dass eine solche Mittelsperson gezwungen werden kann, Maßnahmen, mit denen diese Verletzungen abgestellt werden sollen, sowie Maßnahmen zur Vorbeugung gegen erneute Verletzungen zu treffen. Damit ein Wirtschaftsteilnehmer der Qualifikation als „Mittelsperson“ im Sinne der genannten Bestimmungen unterliegt, muss festgestellt werden, dass er eine Dienstleistung anbietet, die geeignet ist, von anderen Personen zur Verletzung eines oder mehrerer Rechte des geistigen Eigentums benutzt zu werden.  Im vorliegenden Fall ist dies unstrittig.

Folglich stellte der EuGH fest, dass ein Wirtschaftsteilnehmer, der Dritten eine Vermietungs- oder Untervermietungsdienstleistung von Flächen auf einem Marktplatz anbietet, durch die diese Zugang zu diesem Platz bekommen und dort Fälschungen von Markenerzeugnissen zum Verkauf feilbieten, jedenfalls als „Mittelsperson[en] …, deren Dienste von einem Dritten zwecks Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums in Anspruch genommen werden“, im Sinne der genannten Bestimmung qualifiziert werden muss.

Bezogen auf die zweite Vorlagefrage sprach der EuGH aus, dass etwaige gegen die Mittelsperson gerichteten gerichtlichen Anordnungen gerecht und verhältnismäßig sein müssen. Sie dürfen folglich nicht übermäßig kostspielig sein und auch keine Schranken für den rechtmäßigen Handel errichten. Auch kann von der Mittelsperson keine generelle und ständige Überwachung ihrer Kunden verlangt werden. Hingegen kann die Mittelsperson gezwungen werden, Maßnahmen zu treffen, die dazu beitragen, zu vermeiden, dass erneute derartige Verletzungen durch denselben Händler auftreten. derartige Maßnahmen können daher nur erlassen werden, wenn sie ein angemessenes Gleichgewicht zwischen dem Schutz des geistigen Eigentums und der Vermeidung von Schranken für den rechtmäßigen Handel sicherstellen.

Gleiches gilt im Übrigen bereits für „virtuelle Märkte“ im Internet.