OGH-Entscheidung vom 13.1.2016, 15 Os 176/15v

Sachverhalt:

In einer Tageszeitung wurde unter der Überschrift „Lisa-Marie (10) stürzte aus Fenster“ ein Artikel veröffentlicht, in dem darüber berichtet wurde, dass ein – aufgrund der Angaben in der Veröffentlichung identifizierbares – zehnjähriges Mädchen neun Meter aus dem Fenster eines Kinderheims gestürzt und schwer verletzt worden sei. Das Kind leide unter einer Entwicklungsstörung mit autistischen Zügen, benötige besondere Fürsorge und Aufmerksamkeit und lebe daher unter der Woche in diesem Kinderheim. Dem Artikel beigefügt war ein lediglich leicht verpixeltes Lichtbild, das das Mädchen mit zahlreichen Verletzungen im Gesicht abbildete.

Die Mutter der Minderjährigen hatte vor der Veröffentlichung mit einer Mitarbeiterin der Tageszeitung über den Vorfall gesprochen und ein Interview gegeben. Die Informationen aus dem Artikel stammten aus diesem Gespräch. Die Mutter habe hiedurch die Interessen ihrer Tochter wahren und die Vernachlässigung der Aufsicht der MA 11 über die ihr anvertraute Antragstellerin anprangern wollen. Zur Veröffentlichung im Artikel übermittelte sie der Journalistin auch das aus der Veröffentlichung ersichtliche Lichtbild des Mädchens, das deren Verletzungen im Gesicht zeigt.

Entscheidung:

In erster Instanz wurde der Antrag der Minderjährigen auf Zahlung einer Entschädigung nach § 7 Abs 1 MedienG abgewiesen.

Das OLG Wien kam in zweiter Instanz zu der Ansicht, dass durch die inkriminierte Veröffentlichung der höchstpersönliche Lebensbereich des Mädchens in einer Weise erörtert und dargestellt worden sei, die geeignet sei, sie in der Öffentlichkeit bloß zu stellen. Die Medieninhaberin wurde gemäß § 7 Abs 1 MedienG zur Zahlung einer Entschädigung und zum Ersatz der Verfahrenskosten verurteilt. Das Berufungsgericht ging davon aus, dass weder eine rechtsgültige Zustimmung zur Veröffentlichung vorlag noch eine solche aus den Umständen berechtigt angenommen werden konnte.

Die Medieninhaberin der Tageszeitung erblickte darin eine Verletzung von Art 10 MRK. Das OLG habe den Ausschlussgrund nach § 7 Abs 2 Z 3 MedienG nicht angenommen. Gemäß § 7 Abs 2 Z 3 MedienG besteht der Anspruch auf Entschädigung wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs (Abs 1 leg cit) nicht, wenn nach den Umständen angenommen werden konnte, dass der Betroffene mit der Veröffentlichung einverstanden war. Argumento a minori ad maius gilt dieser Ausschlussgrund jedenfalls auch dann, wenn der Betroffene mit der Veröffentlichung tatsächlich einverstanden war, unabhängig davon, ob dies nach den Umständen angenommen werden konnte.

Durch § 7 MedienG geschützt wird der höchstpersönliche Lebensbereich als Kernbereich des durch Art 8 MRK gewährten Anspruchs auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Der Anspruch nach § 7 MedienG soll die erlittene Kränkung für die Veröffentlichung von Informationen aus dem höchstpersönlichen Lebensbereich ausgleichen. Es handelt sich dabei – wie schon die Bezeichnung der Rechtsnorm nahelegt – um ein höchstpersönliches Recht, dh um ein subjektives Recht, das seinem Wesen nach an eine bestimmte Person gebunden ist und charakteristischerweise nicht übertragen werden kann. Jede (zulässige) Verfügung über eine solche Rechtsposition – wie etwa die Zustimmung im Sinn des § 7 MedienG – stellt ebenfalls die Ausübung eines höchstpersönlichen Rechts dar.

Für diese gilt ganz allgemein der Grundsatz, dass sie mit einer gesetzlichen Vertretung unvereinbar sind. Für ihre Ausübung ist vielmehr die natürliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit erforderlich. Fehlt diese Einsicht, so kann ein höchstpersönliches Recht weder durch gesetzliche Vertreter oder Sachwalter noch durch das Pflegschaftsgericht ersetzt werden. Die vorliegend fehlende Einwilligung der Minderjährigen konnte daher nicht durch eine Willenserklärung der Kindesmutter substituiert werden.

Der OGH wies den Erneuerungsantrag daher gemäß § 363b Abs 2 Z 3 StPO als offenbar unbegründet zurück.