OGH-Entscheidung vom 23.10.2014, 2 Ob 224/13z

Sachverhalt:

Die klagende Partei ist Inhaberin eines Kontos. Von diesem Konto wollte sie im Juli 2010 EUR 17.020,78 an eine bestimmte GmbH überweisen. Im Überweisungsauftrag nannte die klagende Partei den Namen der Empfängerin und bezeichnete das Empfängerkonto mit Kontonummer und Bankleitzahl. Bei Eingabe der Kontonummer unterlief der klagenden Partei ein Fehler. Der Betrag wurde nicht auf ein Konto der gewünschten GmbH, sondern auf das Konto eines unbekannten Dritten überwiesen, in dessen Verfügungsbereich der Überweisungsbetrag gelangte. Die Identität des Kontoinhabers wurde von der beklagten Partei unter Berufung auf das Bankgeheimnis nicht preisgegeben.

Die klagende Partei begehrte vor Gericht daher die Rückzahlung von zwei Dritteln des Überweisungsbetrags, da sie sich selbst ein Drittel Mitverschulden anrechnete. Die Bank habe diesen Schaden dadurch schuldhaft verursacht, dass sie ihrer Verpflichtung zum Abgleich der von der klagenden Partei bei der Überweisung angegebenen Kontonummer auf ihre Übereinstimmung mit der angegebenen Empfängerin verletzt habe.

Entscheidung:

Erstgericht, Berufungsgericht und schließlich auch der OGH wiesen die Klage ab. Aus der Begründung:

Die klagende Partei steht auf dem Standpunkt, dass die Rechtsprechung des OGH zur Sorgfaltspflicht der Empfängerbank (Abgleichungspflicht; Pflicht zur Konkordanzprüfung) nach wie vor anzuwenden sei. Vor Inkrafttreten des ZaDiG vertrat der OGH die Rechtsansicht, dass die Empfängerbank zur Überprüfung der Übereinstimmung von Kontowortlaut (Empfängername) und Kontonummer auf ihre Übereinstimmung verpflichtet sei. Gegenteilige Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken wurden als gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB und daher für nichtig erachtet. Unterließ die Empfängerbank die gebotene Überprüfung, begründete dies eine Sorgfaltswidrigkeit, die im Schadensfall zu ihrer Haftung führen konnte.

Durch die RL 2007/64/EG (ZaDi-RL) und das ZaDiG wurde die Rechtslage geändert: Ziel der Richtlinie war es, einen europaweit einheitlichen rechtlichen Rahmen für Zahlungsdienste zu schaffen. Die Richtlinie definiert den „Kundenidentifikator“ als Kombination aus Buchstaben, Zahlen oder Symbolen, die dem Zahlungsdienstnutzer vom Zahlungsdienstleister mitgeteilt wird und die der Zahlungsdienstnutzer angeben muss, damit der andere am Zahlungsvorgang beteiligte zweifelsfrei ermittelt werden können.

Die europäische Kreditwirtschaft entschied sich, für SEPA-Überweisungen die internationale Bankkontonummer (IBAN) zusammen mit der internationalen Bankleitzahl (BIC) als maßgebliche Kundenidentifikatoren zu verwenden. Mit der Verordnung (EU) 260/2012 zur Festlegung der technischen Vorschriften und Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften (SEPA-VO) wurde mit dem Stichtag 1. 2. 2014 auch für nationale Überweisungen die Verwendung der IBAN als alleiniger Kundenidentifikator bestimmt. Die Übergangsfrist wurde schließlich bis 1. 8. 2014 verlängert. Seither ist die herkömmliche Kontonummer endgültig durch die IBAN abgelöst.

Nach Art 74 ZaDi-RL gilt der Zahlungsauftrag im Hinblick auf den durch den Kundenidentifikator bezeichneten Zahlungsempfänger als korrekt ausgeführt, wenn er in Übereinstimmung mit dem Kundenidentifikator ausgeführt wurde. Ist der vom Zahlungsdienstnutzer angegebene Kundenidentifikator fehlerhaft, so haftet der Zahlungsdienstleister nicht für die fehlerhafte oder nicht erfolgte Ausführung des Zahlungsvorgangs; auch wenn der Zahlungsdienstnutzer weitergehende (richtige) Angaben gemacht hat. Die ZaDi-RL geht demnach davon aus, dass der Zahlungsdienstleister einen Zahlungsauftrag ausschließlich auf Basis der Kundenidentifikatoren durchzuführen hat und weitergehende Angaben ignorieren darf, auch wenn die Transaktion letztlich objektiv fehlerhaft ist.

Nur wenn Kontonummer und Kontowortlaut (Empfängername) als Kundenidentifikatoren vereinbart wurden, war bis zum 1. 8. 2014 weiterhin eine Pflicht zum Abgleich von Kontonummer und Kontowortlaut auf ihre Übereinstimmung grundsätzlich denkbar.

Im konkreten Fall (Auftrag vom Juli 2010) stellte sich daher zunächst die Frage, welche Kundenidentifikatoren zwischen der klagenden Partei und ihrer kontoführenden Bank vereinbart waren. Die klagende Partei behauptete aber nicht, dass mit ihr im Rahmenvertrag der Kontowortlaut (Empfängername) als Kundenidentifikator vereinbart worden war. War demnach die Beifügung des Empfängernamens nur eine „weitergehende Angabe“, waren die beteiligten Zahlungsdienstleister nicht zum Abgleich verpflichtet.

Wäre im vorliegenden Fall hingegen von einer Vereinbarung der AGB auszugehen (was von der klagenden Partei bestritten wurde), hätte dies in Ermangelung eines besonderen Hinweises oder zusätzlicher individueller Abreden zur Folge, dass überhaupt kein Kundenidentifikator vereinbart worden ist. Der Zahlungsdienstleister des Zahlers hätte in einem solchen Fall seine Pflicht nach § 35 Abs 4 Z 1 ZaDiG verletzt, wonach er dem Zahlungsdienstnutzer die für die ordnungsgemäße Ausführung eines Zahlungsauftrags erforderlichen Angaben unmissverständlich anzugeben hat. In diesem Fall würde der Zahlungsauftrag gemäß § 35 Abs 5 ZaDiG als nicht korrekt ausgeführt gelten, was zur Haftung des Zahlungsdienstleisters des Zahlers nach § 46 Abs 1 ZaDiG führen kann. Entsprechendes wurde von der klagenden Partei aber nicht behauptet.

Zusammengefasst war die beklagte Partei (Bank/Zahlungsdienstleister) bei den vom Prozessvorbringen der klagenden Partei gedeckten Sachverhaltsvarianten entgegen der früheren Rechtslage zum Abgleich des Empfängernamens und der Kontonummer nicht verpflichtet. Sie haftet daher auch nicht für den der klagenden Partei infolge der Gutschrift des überwiesenen Betrags auf dem angegebenen, tatsächlich existierenden, nicht aber dem Empfänger zugeordneten Konto entstandenen Schaden. Das Risiko einer solchen „Fehlüberweisung“ trägt der Überweisende, sofern ihm nicht der Zahlungsdienstleister des Zahlers nach § 46 ZaDiG haftet (= Haftung für nicht erfüllte oder fehlerhafte Ausführung). Ansonsten bleiben ihm nur Bereicherungsansprüche gegen den tatsächlichen Empfänger.