OGH-Entscheidung vom 21.10.2014, 4 Ob 90/14k

Sachverhalt:

Der Kläger ließ sich im Jänner 2007 vom Geschäftsführer eines Beratungsunternehmens (Vertriebspartner der Beklagten) zum Thema der Veranlagung seiner Ersparnisse beraten. Er empfahl dem Kläger den Kauf von Zertifikaten und erklärte ihm, dass es sich dabei um Aktien handle und dass in Immobilien im Ausland veranlagt werde, wobei die Immobilien an große Konzerne vermietet seien. Der Berater wies den Kläger auf mögliche kurzfristige Kursschwankungen hin, erwähnte aber sonst keine speziellen Risiken der Veranlagung (wie etwa, dass die Immobilien teilweise belastet sind, oder dass die die Zertifikate ausgebende Gesellschaft ihren Sitz auf Jersey hat). Im Rahmen des mehr als einstündigen Beratungsgesprächs zeigte der Berater dem Kläger auch eine zwölfseitige Verkaufsbroschüre, auf deren letzter Seite die Beklagte und deren für den Vertrieb zuständige Tochtergesellschaft genannt sind.

Die Verkaufsbroschüre enthielt u.a .folgende Formulierungen: „Als Aktiengesellschaft verbindet [die Beklagte] die Vorteile von Realbesitz mit jenen von Wertpapieren: Sichere langfristige Anlagemöglichkeiten bei jederzeitiger Verfügbarkeit. […] Sicherheit: Sichere, breit gestreute Immobilienveranlagung in Zeiten stark schwankender Aktienmärkte, hoher Steuern und niedriger Zinsen.“ Auf der vorletzten Seite war die positive Entwicklung des Kurses des Wertpapiers bis März 2006 abgebildet.

Der Kläger wurde durch den Verkaufsprospekt der Beklagten und die Angaben des Beraters, die den Inhalt des Verkaufsprospekts wiedergaben, über die Risikogeneigtheit der Papiere in Irrtum geführt und nahm im Vertrauen auf diesen Werbeprospekt die schadenauslösende Disposition, nämlich den Kauf von Wertpapieren, vor. Er erwarb Zertifikate um insgesamt 29.981,31 EUR (inkl Spesen).

Dem Kläger war bekannt, dass bei Aktien grundsätzlich das Risiko eines Verlusts besteht, er ging aber aufgrund des Beratungsgesprächs und der Unterlagen davon aus, dass es sich bei den ihm empfohlenen Zertifiakten nur um ein vorübergehendes Risiko von Kursschwankungen im Bereich von 2 bis 3 % handeln könne, zumal der Kursverlauf immer ansteigend war. Mitte 2007 erreichte der Kurs der Zertifikate einen Höchststand von 21,32 EUR und stürzte dann bis Ende 2008 auf unter 5 EUR ab.

Der Kläger machte schließlich gerichtlich die Rückzahlung geltend.

Entscheidung:

Das Erstgericht gab der Klage statt. Das Berufungsgericht wies die Klage ab. Der OGH stellte wiederum das Urteil des Erstgerichts her. Aus der Begründung:

Bei der Prospekthaftung ist zwischen der Haftung nach § 11 KMG für Kapitalmarktprospekte und jener nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen für Werbeprospekte, Fact Sheets (soweit sie nicht Teil des Kapitalmarktprospektes sind) u.ä. zu unterscheiden. Der OGH hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass Prospekthaftungsansprüche nicht nur nach § 11 KMG (mangelhafte Angaben im Kapitalmarktprospekt), sondern auch nach allgemein bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen dann bestehen, wenn der Anleger durch falsche, unvollständige oder irreführende Prospektangaben zur Zeichnung einer Kapitalanlage bewegt wird. Es handelt sich dabei um eine typisierte Vertrauenshaftung aus Verschulden bei Vertragsabschluss.

Durch die Verbreitung fehlerhafter Prospekte werden die dem Publikum gegenüber bestehenden Informationspflichten verletzt, die den vorvertraglichen Aufklärungspflichten entsprechen und auf denselben Grundwertungen beruhen. Der Prospekt bildet im Regelfall die Grundlage für den wirtschaftlich bedeutsamen und mit Risiken verbundenen Beteiligungsbeschluss. Aus diesem Grund muss sich der potentielle Kapitalanleger grundsätzlich auf die sachliche Richtigkeit und Vollständigkeit der im Prospekt enthaltenen Angaben verlassen dürfen.

Ein durch irreführende Werbebroschüren verursachter Irrtum über die Risikogeneigtheit und Wertstabilität eines Wertpapiers kommt als Haftungsgrund für einen Schadenersatzanspruch in Betracht. Die unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Angaben müssen darüber hinaus wesentlich, das heißt so beschaffen sein, dass sich unter Anlegung eines objektiven Maßstabs ein durchschnittlicher, verständiger Anleger von diesen Angaben bei einer Auswahlentscheidung unter mehreren Anlagemöglichkeiten beeinflussen lässt. Nach den erstgerichtlichen Feststellungen wurde der Kläger auch durch den Verkaufsprospekt der Beklagten über die Risikogeneigtheit des beworbenen Papiers in Irrtum geführt. Darüber hinaus steht fest, dass der Kläger nicht in dieses Papier investiert hätte, wäre er darüber aufgeklärt worden, dass nicht sämtliche Immobilien, die als Grundlage der Veranlagung dienen, unbelastet sind.

Der natürliche Kausalzusammenhang ist zu bejahen, wenn aus einer Tatsache (dem Verhalten des Beklagten) die andere Tatsache (der eingetretene Schadenserfolg) zu erschließen ist. Der Berater hat dem Kläger im Rahmen eines mehr als einstündigen Beratungsgesprächs den Verkaufsprospekt gezeigt. Der Kläger wurde auch tatsächlich durch den Verkaufsprospekt der Beklagten und die Angaben des Beraters, die den Inhalt des Verkaufsprospekts wiedergaben, über die Risikogeneigtheit der Wertpapiere in Irrtum geführt und er nahm im Vertrauen auf diesen Werbeprospekt die schadenauslösende Disposition vor.

Dem Kläger war daher der Veranlagungsbetrag iHv EUR 29.981,31 zurückzubezahlen.