OGH-Urteil vom 21.10.2014, 4 Ob 140/14p
Sachverhalt:
Der Kläger betreibt ein Fotostudio in Wien.
Die Beklagte ist Medieninhaberin eines Printmediums und betreibt ein Onlinemedium. Dort publizieren (auch) Dritte, die sich bei der Beklagten registrieren, um in weiterer Folge eigene Artikel, Fotos und Ähnliches veröffentlichen zu können. Nach den bei der Registrierung akzeptierten AGB dürfen sie nur Lichtbilder veröffentlichen, deren Verwendung nicht in Rechte Dritter, insbesondere des Urhebers und der abgebildeten Personen, eingreift. Die Beklagte kontrolliert die Inhalte nicht; nur wenn es Beschwerden gibt und die Inhalte offenkundig unzulässig sind, werden sie gelöscht.
Dritte stellten schließlich auf der Internetseite (ua) elf Fotos zur Verfügung, die entweder der Kläger oder sein Rechtsvorgänger zwischen 1971 und Mitte der 1980er-Jahre aufgenommen hatte.
Der Kläger legte der Beklagten zwei „Honorarnoten“, mit denen er erkennbar Rechte an den Lichtbildern behauptete. Der Beklagte verweigerte die Zahlung. Daraufin klagte der Kläger auf Unterlassung bzw. beantragte zunächst die Erlassung einer einstweilige Verfügung, wonach der Beklagten mit einstweiliger Verfügungen untersagt werden sollte,
1. die elf „von ihr“ auf der Website „publizierten“, näher bezeichneten Lichtbilder, an welchen ihm „die Urheber-/Leistungsschutzrechte“ zustünden, „zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten“,
2. das im Printmedium „publizierte“ Lichtbild, an welchen ihm „die Urheber- und/oder Leistungsschutzrechte“ zustünden, „zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten.“
Entscheidung:
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Das Rekursgericht gab dem Sicherungsantrag hingegen mit der Maßgabe statt, dass es der Beklagten untersagte, die Lichtbilder auf der Website in einer Weise zur Verfügung zu stellen, dass sie der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich seien. Die Beklagte habe beim Onlinemedium als Hostprovider gehandelt. Eine Klage setze daher nach § 81 Abs 1a UrhG eine Abmahnung voraus. Bringe der Verletzte die Klage ohne Abmahnung ein, laufe er bei sofortigem Anerkenntnis durch den beklagten Vermittler Gefahr, diesem nach § 45 ZPO die Verfahrenskosten ersetzen zu müssen. Im konkreten Fall hätten die „Rechnungen“ des Beklagten als Abmahnung ausgereicht. Dass die Beklagte danach den Unterlassungsanspruch erfüllt hätte, wurde nicht vorgebracht. Vielmehr halte sie ihr Begehren auf Abweisung des Unterlassungsbegehrens aufrecht.
Der OGH erachtete den Revisionsrekurs der Beklagten für teilweise berechtigt.
Die Beklagte ermöglicht Dritten, Inhalte auf ihre Website hochzuladen und dort öffentlich zugänglich zu machen. Nach den Feststellungen sind die Dritten der Beklagten weder unterstellt, noch werden sie von ihr beaufsichtigt. Die Beklagte ist daher Hostprovider iSv § 16 ECG.
Unmittelbare Täter von Urheberrechtsverletzungen sind in solchen Fällen jene Nutzer, die die Dienste des Providers für Handlungen in Anspruch nehmen, die in Verwertungsrechte des Urhebers – regelmäßig in das Zurverfügungstellungsrecht iSv § 18a UrhG – eingreifen. Der Hostprovider haftet mangels eigenen tatbildlichen Handelns nur als Gehilfe oder allenfalls als Anstifter. Zweiteres kommt hier von vornherein nicht in Betracht, weil die Beklagte in ihren AGB ausdrücklich darauf hinweist, dass die Nutzer über die Rechte an den geposteten Inhalten verfügen müssen. Daher ist nur die Haftung der Beklagten als Gehilfin zu prüfen. Dafür reicht eine bloß adäquate Verursachung nicht aus, vielmehr muss sich auch der Gehilfe rechtswidrig verhalten. Er muss den Sachverhalt kennen, der den Vorwurf gesetzwidrigen Verhaltens begründet oder muss zumindest eine diesbezügliche Prüfpflicht verletzen. Die Prüfpflicht ist allerdings auf grobe und auffallende Verstöße beschränkt. Auf dieser Grundlage haftet ein Hostprovider im Regelfall nur dann, wenn ihn der Rechteinhaber auf den Eingriff in seine Rechte hingewiesen hat und die Rechtsverletzung auch für einen juristischen Laien ohne weitere Nachforschungen offenkundig ist.
Diese Rechtsprechung zur Haftung von Gehilfen wurde vom OGH für Diensteanbieter iSd §§ 13 bis 17 ECG in § 81 Abs 1a UrhG konkretisiert:
Da ein Unterlassungsanspruch nur besteht, wenn die Rechtsverletzung für den Provider ohne weitere Nachforschungen offenkundig ist, hat die Abmahnung zumindest die schlüssige Behauptung einer Rechtsverletzung zu enthalten. Der Abmahnende muss daher nicht nur die (angeblich) rechtsverletzende Handlung bezeichnen, sondern auch darlegen, weshalb er über die Rechte an den Schutzgegenständen verfügt. Bestehen nach den Umständen des Einzelfalls Zweifel an der tatsächlichen Richtigkeit seiner Behauptungen, wird er nach Aufforderung durch den Provider auch Nachweise zu erbringen oder weitere Erläuterungen zu geben haben. Davor besteht kein Unterlassungsanspruch; eine Klage oder ein Sicherungsantrag wären daher abzuweisen.
Im konkreten Fall reichten die vom Kläger gelegten „Rechnungen“ nicht aus, um die Rechtsverletzung für die Beklagte offenkundig zu machen. Zwar ließ sich ihnen (gerade noch) die Behauptung entnehmen, dass der Kläger über die Verwertungsrechte verfüge. Seine Stellung als Urheber oder Hersteller war aber aus Sicht der Beklagten objektiv zweifelhaft, weil einige Lichtbilder offenkundig nicht von ihm, sondern vom früheren Inhaber seines Fotostudios aufgenommen worden waren. Unter diesen Umständen wäre es dem Kläger oblegen, die Gründe für seine Rechtsnachfolge dazulegen. Bei Erhebung der Klage bestand daher noch kein Unterlassungsanspruch. Im Verfahren legte der Kläger jedoch dar, weswegen er auch über die Rechte an den vom früheren Inhaber aufgenommenen Fotos verfüge (Gesamtrechtsnachfolge). Ungeachtet dessen beharrte die Beklagte darauf, dass sie nicht zu einem Einschreiten verpflichtet sei, weil der Rechtsvorgänger des Klägers konkludent dem Fußballklub und dieser wiederum konkludent der Beklagten das Recht zur Verwertung der Lichtbilder eingeräumt habe. Damit kann sich die Beklagte aber nicht mehr auf eine nicht ausreichende Abmahnung stützen. Denn die Behauptungs- und Beweislast für eine solche Rechteeinräumung trifft im Prozess nach allgemeinen Grundsätzen denjenigen, der sich darauf beruft. Es ist nicht erkennbar, weshalb die Abmahnung insofern strengeren Anforderungen unterliegen sollte. Auch sie muss daher keine Negativbehauptungen enthalten; vielmehr genügt es, wenn der Abmahnende seine (originäre oder abgeleitete) Berechtigung und die Eingriffshandlung darlegt.
Damit hängt das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs im konkreten Fall allein davon ab, ob die Beklagte tatsächlich über eine von einem Werknutzungsrecht des Vereins abgeleitete Werknutzungsbewilligung verfügte.
Eine nähere Prüfung dieser Frage erübrigte sich aber, weil das Begehren des Klägers jedenfalls verfehlt war. Dem Gehilfen kann nach allgemeinen Grundsätzen nur der konkrete Tatbeitrag untersagt werden, nicht das tatbestandsmäßige Verhalten der von ihm geförderten Person. Das Verbot müsste sich daher gegen das Ermöglichen eines Urheberrechtseingriffs durch dritte Personen richten, die ihrerseits als unmittelbare Täter handeln. Demgegenüber beantragte der Kläger, der Beklagten den Eingriff in das Ausschließungsrecht als solchen zu untersagen. Der Sicherungsantrag wurde in diesem Punkt daher abgewiesen.
Die Beurteilung des Rekursgerichts hinsichtlich Punkt 2 des Unterlassungsbegehrens (Lichtbild im Printmedium der Beklagten) wurde hingegen vom OGH bestätigt. Die Beklagte ist als Medieninhaberin unmittelbare Täterin, sodass hier jedenfalls keine Abmahnung erforderlich war.