OGH-Entscheidung vom 22. Mai 2014, 2 Ob 28/14b

Sachverhalt:

Der Kläger wurde von seinem ehemaligen Schwiegervater bedroht, beleidigt, belästigt und verfolgt. Unter anderem erhielt der Kläger ein anonymes Droh-SMS, wonach der Absender sich gezwungen sehe, die Welt von so einem Ungeheuer zu befreien, wenn der Kläger seine Einstellung gegenüber seinen Mitmenschen nicht ändere. Er gebe ihm noch ein bisschen Zeit, sich positiv zu ändern; sollte er die Warnung ignorieren, habe er die Pistolenkugel für ihn hergerichtet. Als Absender konnte der Schwiegervater ausgeforscht werden. Der Kläger hatte aufgrund der Drohung Angst um sein Leben und nahm daher Personenschutz mittels einer professionellen Personenschutzagentur und Detektei in Anspruch. Dabei entstanden Kosten in Höhe von 34.860,66 EUR. Diese Kosten machte der Kläger gerichtlich als Schadenersatz geltend.

Entscheidung:

Der OGH verwies das Verfahren zurück an das Erstgericht. Die Ersatzfähigkeit von Abwehrmaßnahmen wird abgelehnt, wenn diese Ausdruck einer allgemeinen Gefahrenabwehr sind, die mit keinem konkreten haftungsrechtlich zurechenbaren Verhalten im Zusammenhang stehen. Hingegen wird ein Ersatzanspruch für möglich gehalten, wenn die Aufwendungen wegen einer konkret drohenden Schädigung erfolgen.

Im vorliegenden Fall wurde eine rechtswidrige Handlung in Form einer Drohung mit dem Tod bereits gesetzt; nicht dagegen aber ein Verhalten, dass in Richtung einer tatsächlichen Beeinträchtigung der körperlichen Integrität des Klägers bzw seines Lebens gerichtet gewesen wäre. Die Kausalität sei grundsätzlich gegeben, da die Aufwendungen mangels Drohung wohl nicht getätigt worden wären. Auch die Adäquanz der ergriffenen Abwehrmaßnahmen sei grundsätzlich zu bejahen.

Daher stellte sich die Frage nach dem Schutzzweck der Norm: Nicht nur die körperliche Integrität soll als absolutes Rechtsgut geschützt werden, sondern auch die psychische Gewissheit einer Person, ohne die Gefahr einer vorsätzlichen Beeinträchtigung dieser Rechtsgüter zu leben.

Hier hat der Kläger umfassende und monatelang wiederholte Beschimpfungen, Beeinträchtigungen und Nachstellungen seitens des Beklagten behauptet, die letztlich in einem Droh-SMS gegipfelt haben sollen, in dem nicht nur mit dem Tod gedroht, sondern auch eine konkrete Begehungsweise angeführt wurde. Dazu kommt, dass der Beklagte im legalen Besitz einer Schusswaffe war.

Vom Rechtswidrigkeitszusammenhang einer derartigen Drohung könnten dann aber auch – umfänglich und der Höhe nach angemessene – Kosten für Abwehrmaßnahmen umfasst sein.

Der OGH kam daher zu der Ansicht, dass die grundsätzliche Ersatzfähigkeit der vom Kläger geltend gemachten Abwehrkosten als Folgekosten der bereits stattgefundenen Drohung (bzw schweren Nötigung) und damit verbundenen Rechtsgutverletzung nicht von vornherein verneint werden kann.

Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht insbesondere zu klären haben, ob die behaupteten Aufwendungen des Klägers tatsächlich Reaktion auf Drohungen des Beklagten waren, wenn ja, inwieweit diese Aufwendungen ihrer Art nach unbedingt notwendig bzw in ihrem Umfang und ihrer Höhe angemessen waren.