EuGH-Urteil vom 6.3.2014, Rechtssache C‑409/12:

Ausgangsverfahren:

Backaldrin Österreich The Kornspitz Company GmbH (im Folgenden: Backaldrin) und Pfahnl Backmittel GmbH (im Folgenden: Pfahnl) führen seit Jahren einen Rechtsstreit um die Marke „KORNSPITZ“.

Backaldrin ist Inhaberin der eingetragenen österreichischen Wortmarke „KORNSPITZ“ für Waren der Klasse 30. Zu diesen Waren zählen „Mehle und Getreidepräparate; Backwaren; Backmittel; feine Backwaren, auch zum Aufbacken vorbereitet; Teiglinge … für die Herstellung von feinen Backwaren“. Backaldrin stellt unter dieser Marke eine Backmischung her, die sie in erster Linie an Bäcker ausliefert. Diese verarbeiten die Backmischung zu einem länglichen, an beiden Enden spitz zulaufenden Brötchen. Backaldrin hat den Bäckern und den von diesen belieferten Lebensmittelhändlern gestattet, dieses Brötchen unter Verwendung der genannten Marke zu verkaufen. Die Mitbewerber von Backaldrin, darunter Pfahnl, und die überwiegende Zahl der Bäcker wissen, dass das Wortzeichen KORNSPITZ als Marke eingetragen ist. Pfahnl zufolge wird das Zeichen von den Endverbrauchern als gebräuchliche Bezeichnung einer Backware, nämlich eines länglichen, an beiden Enden spitz zulaufenden Brötchens, aufgefasst.

Gemäß Art. 12 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2008/95 (Markenrichtlinie) kann eine Marke für verfallen erklärt werden, wenn sie infolge des Verhaltens oder der Untätigkeit ihres Inhabers im geschäftlichen Verkehr zur gebräuchlichen Bezeichnung (Gattungsbezeichnung) einer Ware oder Dienstleistung geworden ist, für die sie eingetragen wurde.

Pfahnl stellte daher gemäß § 33b MSchG einen Antrag auf Verfallserklärung der Marke „KORNSPITZ“ beim Österreichischen Patentamt. Die Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamts gab diesem Antrag statt. Gegen diesen Beschluss erhob Backaldrin beim Obersten Patent- und Markensenat Berufung.

Vorlagefragen:

Der Oberste Patent- und Markensenat setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH zur Vorabentscheidung die Fragen vor, ob eine Marke „zur gebräuchlichen Bezeichnung einer Ware oder Dienstleistung“geworden ist, wenn

a) zwar den Händlern bewusst ist, dass es sich dabei um einen Herkunftshinweis handelt, sie das aber gegenüber den Endverbrauchern in der Regel nicht offen legen, und

b) die Endverbraucher die Marke (auch) aus diesem Grund nicht mehr als Herkunftshinweis, sondern als gebräuchliche Bezeichnung von Waren oder Dienstleistungen verstehen, für die die Marke eingetragen ist?

Außerdem, ob eine eine „Untätigkeit“ schon dann vorliegt, wenn der Markeninhaber untätig bleibt, obwohl die Händler Kunden nicht darauf hinweisen, dass es sich um eine eingetragene Marke handelt?

Schließlich, ob eine Marke für verfallen zu erklären ist, die aufgrund des Verhaltens oder der Untätigkeit ihres Inhabers für Endverbraucher, nicht aber für den Handel zur gebräuchlichen Bezeichnung geworden ist, aber auch nur dann, wenn die Endverbraucher auf diese Bezeichnung angewiesen sind, weil es keine gleichwertigen Alternativen gibt?

Entscheidung:

Der EuGH beantwortete die Fragen dahingehend, dass in einem solchen Fall eine Marke für verfallen erklärt werden kann, wenn die Marke infolge des Verhaltens oder der Untätigkeit ihres Inhabers aus der Sicht der Endverbraucher alleine zur gebräuchlichen Bezeichnung dieser Ware geworden ist.

Im vorliegenden Fall beruht die Wahrnehmung der Endabnehmer insbesondere darauf, dass die Verkäufer der mit dieser Backmischung hergestellten Brötchen ihre Kunden im Allgemeinen nicht darauf hinweisen, dass es sich bei dem Zeichen „KORNSPITZ“ um eine eingetragene Marke handelt. Denn die Verkäufer geben ihren Kunden beim Verkauf im Allgemeinen keine besonder Beratung, die einen Hinweis auf die Herkunft der verschiedenen zum Kauf angebotenen Produkte einschlösse. Die Marke „KORNSPITZ“ erfüllt daher nicht ihre Hauptfunktion als Herkunftshinweis und die Marke kann folglich für verfallen erklärt werden, wenn der Verlust der Unterscheidungskraft der Marke für dieses Produkt auf das Verhalten oder die Untätigkeit des Markeninhabers zurückzuführen ist.

Als „Untätigkeit“ im Sinne dieser Bestimmung kann angesehen werden, dass es der Inhaber einer Marke unterlässt, die Verkäufer dazu zu bewegen, die Marke für den Vertrieb einer Ware, für die sie eingetragen ist, in stärkerem Maße zu benutzen.

Im österreichischen Verfahren wird daher zu prüfen sein, ob von Backaldrin Initiativen ergriffen wurden, um die Bäcker und Lebensmittelhändler, die die aus der von ihr gelieferten Backmischung hergestellten Brötchen verkaufen, dazu zu bewegen, in ihren geschäftlichen Kontakten mit den Kunden die Marke KORNSPITZ mehr zu verwenden.

Die Erklärung des Verfalls einer Marke setzt jedoch nicht die Klärung der Frage voraus, ob es für eine Ware, für die die Marke im geschäftlichen Verkehr zur gebräuchlichen Bezeichnung geworden ist, andere Bezeichnungen gibt. Dies würde nämlich nichts daran ändern, dass die Marke durch ihren Wandel zu einer gebräuchlichen Bezeichnung im geschäftlichen Verkehr ihre Unterscheidungskraft verloren hat.